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Weltraum-Sumo für Taktiker
CD-ROM „Splitterwelten“ aus Deutschland überzeugt mit durchdachtem
Spielkonzept

Die neueste Generation der Computerspiele stammt meist aus den USA und glänzt mit technischen Höchstleistungen. Doch viele Unterhaltungsprogramme der großen internationalen Entwicklerfirmen, an denen rund 30 bis 40 Designer arbeiten, überspielen mit bombastischen Bildern nur eine eher schwache Grundidee.

Gerade in Deutschland existieren jedoch kleine, feine Spieleschmieden, die mit anspruchsvollen Konzepten die kritische Spieler-Gemeinde zu überzeugen wissen – so wie beim Taktik- und Geschicklichkeitsspiel „Splitterwelten“ (erschienen bei Magellan, sorry wir haben keinen Link gefunden). Das Team um den bekannten Spiele-Entwickler Andreas von Lepel legte bei der Programmierung besonderen Wert auf Spielspaß und Familientauglichkeit.

Ausgeklügeltes Gerangel

Von Lepel ist die Sucht nach immer schnelleren und aufwendigeren Spielen vollkommen unverständlich. Für „Splitterwelten“ entwickelte er deshalb eine völlig neue Spielidee, bei der sich bis zu vier menschliche oder computergesteuerte Spieler in einem kosmischen Kräftemessen um einen gesprengten Planeten behaupten müssen. Unterstützt von zwölf Grafikern, Programmierern und Profimusikern arbeitete von Lepel über fünf Jahre an seinem ausgeklügelten Spieleprinzip.

Mitten im All stehen sich auf kleinen Planetensplittern Gruppen witzig animierter Figuren – wie Menschen, Elefanten, Stiere und Monster – gegenüber, die sich ganz einfach mit der Maus, der Tastatur oder dem Joystick bewegen lassen. Sie drehen sich je nach Befehl des Spielers und versuchen in Echtzeit, jedes Hindernis wegzuschieben, auf das sie treffen. Denn leider hat nur eine Gruppe der Bewohner auf den versprengten Resten des Planeten Platz. Es wird also auf jedem Splitter so lange geschoben und gedrückt, bis ein Spieler die jeweils gegnerischen Parteien über den Rand gedrängt hat.

Gefährliches Pflaster

Eine weitere Herausforderung besteht darin, daß die Schollen am Rand abbrechen und so immer kleiner werden. Da heißt es, nicht am falschen Ort zur falschen Zeit zu stehen, sondern vielmehr den Gegner an genau diese Plätze zu drängen.

Jeder Spieler verfügt in jedem der insgesamt 222 Level über bis zu 16 verschiedene Wesen, die er individuell in ihrer Laufrichtung steuern kann. Jeder einzelne Splitterwelten-Bewohner hat nicht nur ein bestimmtes Kräftepotential. Vielmehr verfügen die Figuren über einen eigenständigen Charakter, der sich von den Spielern geschickt nutzen läßt. Sind die Kräfte der gegnerischen Gruppen gleich verteilt, entscheidet die richtige Strategie. Aber auch wenn das Kräfteverhältnis zu Ungunsten eines Spielers steht, ermöglicht geschicktes Taktieren und das Ausnutzen der je nach Spiellevel unterschiedlichen Bodenbeschaffenheit – wie Berge, Täler, Flüsse, Eis – den spielentscheidenden Stoß.

Zur Idee mit den schiebenden Figuren kam der Spieledesigner von Lepel durch das Schachspiel, das er vor Jahren schon für den Computer umsetzen wollte. Damals sollten es Figuren werden, die sich frei über das Feld bewegen und sich gegenseitig wegschieben. Inspiriert wurde er aber vor allem durch den ersten „Krieg der Sterne“-Film. In einer Filmszene wurde ein holographisches Spiel gezeigt, bei dem die Figuren echte Kämpfe ausfochten und sich vom Spielfeld warfen.

Viermal schrieb von Lepel die „Splitterwelten“ während der Entstehungsphase komplett um und überarbeitete das Spiel nach den Vorschlägen der Testspieler. Der schwierigste Teil der Programmierung lag jedoch in der Natur der digitalen Wesen. Bei „Splitterwelten“ beeinflußt jede Aktion und jede Bodenformation das Drücken und Schieben der Akteure nach den exakten physikalischen Gesetzmäßigkeiten. Diese genaue und wirklichkeitsgetreue Berechnung der auf die Spielfiguren einwirkenden Kräfte verblüffen dabei nicht nur Physiker und Mathematiker: Viele Entwickler hielten die gestellte Aufgabe für nicht lösbar, da bis zu 64 Figuren gleichzeitig auf dem Spielfeld agieren und aufeinander einwirken. Schon ab drei Körpern läßt sich aber die gegenseitige Wirkung nicht mehr exakt bestimmen, sondern nur noch mathematisch hochrechnen.

Für „Splitterwelten“ entwickelte von Lepel deshalb spezielle Programmabläufe und das „Prinzip der virtuellen Kräfte“, das die physikalisch korrekten Ergebnisse beim planetarischen Kräftemessen ermöglicht.

Vom Spieler werden allerdings keine wissenschaftlichen Kenntnisse verlangt, die hohe Mathematik arbeitet unbemerkt im Hintergrund. Vielmehr sind kluge Strategien und intuitive Taktik gefragt, um bei diesem spannenden Weltraum-Sumo der beste „Drückeberger“ zu werden. Die Kunst der Programmierung besteht denn auch vor allem darin, den Anwender nicht merken zu lassen, welche Arbeit im fertigen Endprodukt steckt. Es sieht für Außenstehende viel leichter und spielerischer aus, als es tatsächlich ist – und das macht dann, neben einer guten Geschichte, den eigentlichen Spaß beim Spielen aus.

Wer „Splitterwelten“ selbst ausprobieren möchte, erhält es für 69,95 DM. Es läuft unter DOS oder Windows 95 ab einem 486 PC mit 33 MHz und Doublespeed-CD-ROM-Laufwerk Um die tollen Musikstücke zu hören, wird eine Soundkarte und ein Audio-Kabel vom CD-Laufwerk zur Soundkarte benötigt.
REINER CIBULKA

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