Kassenärztliche
Prüfer über Labors entsetzt:
Jede dritte Rechnung
ist bereits veredeltVon DIETMAR WITTMANN
Nach den Kardiologen und Radiologen
jetzt also auch die Labor-Ärzte im Zwielicht. Eine
Entwicklung setzt sich fort, die Folge eines gnadenlosen
Verdrängungswettbewerbs ist. Dr. Harald Rauchfuß,
Vorsitzender der Bezirksstelle Mittelfranken der
Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns: Wenn das
Geld weniger wird und mehr Ärzte im System sind, wächst
die Bereitschaft, etwas in der Grauzone zu tun.
Seit etwa einem Jahr haben die
Kassenärztlichen Vereinigungen Bayerns den Verdacht,
daß bei den Abrechnungen der Laborärzte in großem Stil
schöngerechnet wird. Allein im dritten Quartal 1996 soll
der Umsatz um 30 Prozent gestiegen sein.
Überteuerte Aids-Tests
Die Folge: Die Unterstützungssummen,
die von den KV's zugeschossen werden muß, wenn die
Laborärzte mehr Leistungen erbringen als im Labor-Budget
zur Verfügung steht, sind in letzter Zeit ständig
angestiegen. Die, erkannte KV-Funktionär
Rauchfuß, haben zu große Dimensionen
angenommen. Gewisse Dinge seien da
erklärungsbedürftig.
Bayernweit mußten die KV' s die
Laborärzte im Jahre 1997 mit rund 17 Millionen Mark
stützen - das ist weit mehr als im Vorjahr,
als die Stützungssumme noch bei rund sechs Millionen
Mark lag. Grund genug für wachsendes Mißtrauen der
Prüfer. Der Münchner KV-Vorstandsvorsitzende Lothar
Wittek spricht inzwischen von einigen
Fällen, in denen die Sonderkommission
erhebliche Diskrepanzen zwischen dem Auftrag auf
der Überweisung und der Laboruntersuchung gefunden
habe. Bei einem Laborarzt entdeckten die Prüfer falsche
Abrechnungen in Höhe von rund 900 000 Mark in einem
einzigen Quartal.
Experten schätzen, daß in Bayern, wo
rund ein Fünftel aller Laborleistungen in der
Bundesrepublik erbracht werden, fast ein Drittel der
Laborärzte-Abrechnungen illegal sind. Wenn
diese Rechnung stimmt, hätten die Laborärzte im Jahr
rund 20 Millionen Mark zu viel von den Kassen verlangt.
Bundesweit hochgerechnet, käme so ein Betrag von etwa
100 Millionen Mark zustande.
Die Methoden: Krankenscheine werden
veredelt, Aufträge künstlich aufgebläht.
Es gibt Labor-Mediziner, die immer gleich alles
untersuchen (Wittek), auch wenn es nicht nötig ist
- sicher ist Bayern da keine Ausnahme. So wird in Berlin
wegen des Verdachts auf Abrechnungsbetrug gegen mehrere
Laborärzte ermittelt, die bei der Überprüfung von 3 000
Überweisungsscheinen aufgefallen waren. In 1000 Fällen
wurden bei Aids-Tests überhöhte Honorare verlangt.
Auch Kollegen betrogen
Was die Fahndung nach den
Schwarzen Schafen unter den Laborärzten so
zeitraubend macht, ist, daß immer noch handschriftliche
Überweisungsscheine benutzt werden. Jeder einzelne
Fall, weiß Rauchfuß, muß per Hand
nachkontrolliert werden. Zuerst hat die Kommission
bei den großen Labors angesetzt, von denen es in
München und Nürnberg je zwei eigenständige gibt.
Weitere Großlabors arbeiten in Würzburg, in der
Oberpfalz und in Oberbayern. Bis jetzt scheint
Mittelfranken sauber zu sein. Rauchfuß:
Soweit ich durchblicke, ist keine mittelfränkische
Praxis betroffen.
Die Betrüger unter den Laborärzten
schneiden sich, wie der Ärzte-Funktionär glaubt, ins
eigene Fleisch. Rauchfuß sieht darin eine
Belastung für die innerärztliche Solidarität:
Sie haben nicht die Kassen betrogen, sondern die
Ärzteschaft. Die Verteilung des Budgets wird
ungerecht. Demnächst müssen sich auch die
Poli-Kliniken und ambulanten Praxen in Bayern auf eine
Überprüfung gefaßt machen. Ein
Ärzteverbands-Funktionär zur NZ: Die kommen jetzt
in den Zwang, zu überlegen, ob das, was sie veranlassen,
gerechtfertigt ist oder nicht.
Mit einer Plausibilitätsprüfung und
Plänen für eine neue Gebührenordnung will man künftig
illegale Gewinne beschneiden. Dabei sollen neue Ideen
gleich mit eingebaut werden: Die Trennung von
Sachleistungen und ärztlichen Leistungen, die
einheitliche Abrechnung durch die KV' s und die
Nachvollziehbarkeit des Auftragsweges, der bisher manuell
verfolgt werden mußte. Das Kontrollnetz
versichert Rauchfuß, werde damit noch engmaschiger
werden.
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