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Frauenhandel boomt


Über eine halbe Million Zwangsprostituierte in Europa

Mehr als eine halbe Million Frauen werden in Westeuropa nach Erkenntnissen der Europäischen Union zur Prostitution gezwungen. Der Jahresumsatz diese Sexindustrie sei bereits höher einzustufen als der des Drogenhandels, heißt es aus Brüssel. Allein in Deutschland wird der Umsatz auf 50 Milliarden Mark jährlich geschätzt. Vor allem seit dem Fall des "Eisernen Vorhangs" boomt der Frauenhandel in den Staaten der Europäischen Gemeinschaft.

Die Europa-Abgeordnete Karin Junker (SPD), Vorsitzende der sozialdemokratischen Frauen in Deutschland und in Europa, hat deshalb in Bonn an die Adresse der Europäischen Union appelliert, endlich Fakten zu schaffen. Sie forderte eine enge Zusammenarbeit von Politik, Regierung, Justiz, Polizei, Inter- und Europol sowie der UN und Nichtregierungsorganisationen. Alle müßten europaweit das Ziel haben, die Täter unnachgiebig zu verfolgen und die Opfer zu schützen.

Opfer als Täter?

Aus der Sicht der Europa-Abgeordneten ist eines der Haupthindernisse bei der Bekämpfung der Zwangsprostitution immer noch, daß die Opfer in die Täterrolle gedrängt werden. Karin Junker: "Die Opfer sind wehr- und rechtlos, wenn sie auf die Schlepper hereingefallen sind. Einmal entdeckt, werden sie zu Täterinnen, weil sie sich ohne Paß _ denn der wird ihnen in der Regel abgenommen _ und ohne Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis illegal im europäischen Ausland aufhalten. Daher werden sie meist abgeschoben, bevor sie die wahren Täter durch ihre Aussage vor Polizei und Gericht hinter Gitter bringen könnten." Die Schutzlosigkeit der Opfer sei leider auch der beste Täterschutz.

Die meisten der nach Deutschland eingeschleusten ausländischen Frauen kommen aus Rußland, Polen, Tschechien, der Slowakei und Ungarn, aber auch aus Thailand. Die Frauen gehören immer zu den ausgebeuteten Opfern, denn das große Geld machen die anderen. Die "Arbeitsgemeinschaft gegen internationale sexuelle und rassistische Ausbeutung" (Agiera) nennt Beiträge zwischen 6000 und 25.000 US-Dollar für die illegale Einreise und die Vermittlung einer ausländischen Frau an ein Bordell. Nach Einschätzung von Agiera ist der Bedarf an ausländischen Prostituierten "immens". Fest steht, daß in den Rotlichtdistrikten der Staaten der Europäischen Union überwiegend ausländische Prostituierte anschaffen. Nach Zahlen, die der EU-Konferenz über Frauenhandel zur sexuellen Ausbeutung im Juni in Wien vorgelegen haben, stammen in Deutschland 75 Prozent der Prostituierten aus dem Ausland. In Italien sind es 80 Prozent und in Österreich 85 Prozent.

Zweihundert Frauen verschleppt

Alle diese Zahlen sind jedoch nach Meinung von Experten nur die Spitze eines Eisberges. In Polen muß sich beispielsweise ein Mann verantworten, der angeklagt ist, seit 1993 allein mindestens zweihundert Frauen _ davon nicht wenige unter 16 Jahre alt _ nach Deutschland und in die Niederlande verschleppt zu haben. In Österreich hat jetzt eine interministerielle Arbeitsgruppe ihre Tätigkeit aufgenommen, da Alpenrepublik zunehmend zur die Drehscheibe für den Frauenhandel geworden ist. Die Ost-Mafia, Mafia-Gruppen von Russen, kontrollieren den polnischen und den deutschen "Markt", Ukrainer den ungarischen und österreichischen, Russen und Albaner den italienischen. Auch in den Niederlanden wächst der Einfluß der mittel- und osteuropäischen Gangs in den Rotlichtvierteln. Daher werden in der südlichen Grenzregion seit 1994 spezielle Polizeikräfte eingesetzt, die der organisierten Kriminalität Paroli bieten sollen.

Ähnliche Maßnahmen wie in Österreich und in den Niederlanden fordert Karin Junker auch für Deutschland, um dem "Handel mit dem weißen Fleisch", wie die Zwangsprostitution zynisch genannt wird, beizukommen. Sie forderte Bundesfrauenministerin Claudia Nolte (CDU) auf, sich im europäischen Ministerrat dafür einzusetzen, daß sowohl bei Täterverfolgung wie dem Opferschutz Entscheidendes geschieht. Das sei hilfreicher als pressewirksame Bordellbesuche in Bangkok zu unternehmen oder den Straßenstrich an der tschechischen Grenze zu besuchen und im übrigen darauf hinzuweisen, daß die Migrationsgründe in den Herkunftsländern beseitigt werden müssen.

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