Zurück zum Inhalt Frauenthemen Mit der Behandlungsdauer Den Anblick von Müttern mit Kinderwagen kann Brigitte P. nicht ertragen. Dann wechselt sie auch schon mal die Straßenseite. Denn jedesmal wird die 30jährige an ihren eigenen Kinderwunsch erinnert. Etwa zehn Prozent aller deutschen Paare leiden seit zwei oder mehr Jahren unter ihrer Kinderlosigkeit, erklärt der Psychologe Tewes Wischmann von der Psychosomatischen Klinik an der Universität Heidelberg. In der Heidelberger Kinderwunsch-Sprechstunde sollen die Betroffenen Beratung und psychologische Betreuung finden. Einige Paare sind wegen ihres Kinderwunsches schon jahrelang in medizinischer Behandlung. Teilweise müssen sich Frauen mehrmals pro Woche Hormonspritzen geben lassen, sagt Wischmann. Neben der Zeit und dem Aufwand der Behandlung empfinden es viele auch psychologisch als starke Belastung, wenn keine Erklärung für ihre Fruchtbarkeitsstörung gefunden werden kann. Das Pilotprojekt der Heidelberger Kinderwunsch-Sprechstunde verfolgt daher das Ziel, die medizinische und die psychologische Betreuung zu integrieren. Den betroffenen Paaren werden zwei einstündige Beratungsgespräche und gegebenenfalls weiterführende Unterredungen angeboten. Je länger Paare in medizinischer Behandlung sind, desto größer ist auch der Leidensdruck, sagt Wischmann. Das Warten auf die Monatsblutung wird für viele zur Tortur. Der Kinderwunsch rückt immer mehr in den Lebensmittelpunkt. Andere Lebensbereiche wie der Beruf oder die Beziehung zum Partner werden vernachlässigt. Es gibt Paare, die auf ihren Urlaub verzichten, sagt Wischmann. Denn die Frau könnte ja gerade dann schwanger werden. Dazu kommen möglicherweise noch Versagensängste sowie Schuldgefühle gegenüber den Eltern, die endlich ihren Enkel wollen. Die teilweise jahrelange medizinische Behandlung kann eine Eigendynamik entwickeln, wie Wischmann erklärt. Die Partner trauen sich dann gar nicht mehr, darüber zu sprechen. Ziel der Kinderwunsch-Sprechstunde ist daher auch, daß die Paare unbefangen miteinander reden können. Sexualität nach Termin Bei den meisten Paaren ist auch das Sexualleben beeinträchtigt, sagt Wischmann. Hat die Frau ihre fruchtbaren Tage, wird für viele der Sex zum Streß. Die Versagensängste können schließlich dazu führen, daß es nicht klappt. Manche wissen auch gar nicht, wann die fruchtbaren Tage sind. Hier wird deutlich, daß die behandelnden Ärzte immer genau nachfragen und aufklären müssen, wie der Psychologe betont. Bisher sind 175 Paare mit ungeklärter Sterilität in die Heidelberger Kinderwunsch-Sprechstunde gekommen. 536 Paare haben zudem in einem Fragebogen Angaben über die berufliche Belastung, die Partnerbeziehung und den persönlichen und sozialen Hintergrund gemacht. Im Schnitt waren die Paare 4,9 Jahre lang trotz ungeschützten Geschlechtsverkehrs kinderlos. Bei der Beratung wurde Wischmann zufolge auch deutlich, daß es unterschiedliche Motivationen für den Kinderwunsch geben kann, ohne daß der jeweilige Partner davon weiß. So erhoffte sich beispielsweise eine Frau, daß ihr Mann früher von der Arbeit nach Hause kommen würde, wenn erst einmal ein Kind da sei. Dieser wiederum glaubte, dann länger wegbleiben zu können, weil die Frau ja das Kind hätte. Auffällig viele kinderlose Paare, die in die Sprechstunde kommen, leben Wischmann zufolge sehr harmonisch miteinander und haben scheinbar keine Probleme. Beruf und Privatleben konnte immer genau geplant werden. Ein Kind auf Bestellung klappt dagegen trotz High-Tech-Medizin nicht. Das machen sich viele nicht klar, betont Wischmann. Eine psychologische Beratung kann die Schwangerschaftschancen sicherlich nicht erhöhen. Übereinstimmend haben die betroffenen Paare jedoch erklärt, daß mit der Behandlung Streß abgebaut worden sei und sich ihre Lebensqualität wieder gebessert habe. (Informationen über die Heidelberger
Kinderwunsch-Sprechstunde gibt es bei Tewes Wischmann,
Abteilung für Medizinische Psychologie, Bergheimer Str.
20, 69115 Heidelberg, Tel. 0 |