RAUCHEN UND ÄSTHETIK

SEIT FÜNF JAHREN ist k.d. lang bekennende Lesbe und – was ihr in der Öffentlichkeit noch mehr Kritik eintrug – zudem Vegetarierin. Beeindrucken läßt sie sich von den Anfeindungen nicht: Als Sängerin ist die 35jährige Grammy-Gewinnerin seit Jahren erfolgreich, und kürzlich erhielt sie sogar einen hohen Orden ihres Heimatlandes, den Order of Canada. Auch auf ihrem jüngsten Album „Drag“ nimmt sie sich eines kontroversen Themas an: des Rauchens und seiner Ästhetik.

Erstmals seit langem beschränkt k.d. lang sich wieder ganz auf die Kunst der Interpretation. Zwölf Coverversionen altbekannter Titel – darunter beispielsweise „The Air That I Breathe“ von den Hollies, „The Joker“ von Steve Miller und „Till The Heart Caves In“ von T-Bone Burnett und Roy Orbison – entführen in rauchige Bars und verqualmte Coffeehops, aber auch ins eigene Schlafzimmer. k.d. lang sinniert über „Smoke Rings“ und „Smoke Dreams“ und besingt „My Last Cigarette“. „Dieses Album thematisiert das Verlangen, das Brauchen, nicht einfach nur das Rauchen an sich“, sagt sie dazu.

Musikalisch ist „Drag“ eine kleine Zeitreise in vergangene Jahrzehnte, als die Zigarette noch ein völlig unreflektierter Teil der Alltagskultur war. Jazzig, bluesig, balladesk, häufig melancholisch, nie aufgeregt. Ein Album für blaue Stunden, egal ob mit blauem Dunst oder ohne.

BALLADEN IM HERBST

DIE BALLADE ist die Musik des Herbstes, des Nebels und der Verbin dung von Traurigkeit und Schönheit. Sie ist runder und ausdrucksstärker, aber auch mimosenhafter und empfindlicher als andere Melodien. Das Spektakuläre fehlt ihr, und wie leicht verkommt sie zur Langeweile oder zur nichtssagenden Traurigkeit in Musik. Dieter Köhnlein hat sich ihrer angenommen und eine Balladen-Suite (sweet bALLAd sweet, aho CD 1032) auf eine silberne Scheibe gebannt, die all dies akustisch untermauert.

Zusammen mit dem Saxophonisten Volker Schlott ist dem Pianisten das mutige Unterfangen geglückt, über 52 Minuten lang in Traurigkeit zu schwelgen. Die Eigenkompositionen haben den schemenhaften Glanz einfacher Melodien, genauso wie die sprudelnde Wirrnis verzweifelter Soli.

Eine liebevolle und gefühlsbetonte CD, runder und ausdrucksstärker, aber auch mimosenhafter und empfindlicher als andere CD. . . eff

Dieter Köhnlein spielt am Freitag, 26. September, in Schwarzenbruck in der Gemeindebücherei, Beginn 20.00 Uhr.

RRRAMMSTEIN -Ein GRUSELKABINETT

SIE HABEN es geschafft: „Rammstein“ sind zum Zeitpunkt der Veröffentlichung ihrer neuen CD „Sehnsucht“ (MOTOR) ein Topthema. Im Gespräch gehalten haben sie die hitzig geführten Diskussionen über Sinn und Unsinn ihrer platt-provokanten Texte. „Sehnsucht“, das brandaktuelle Album, wird daran nichts ändern, denn in Songs mit Titeln wie „Bestrafe mich“, „Bück Dich“ oder „Spiel mit mir“ treibt die Band das Spiel mit den Vieldeutigkeiten und Phantasien immer perfekter.

Und im neuesten Presseinfo zum Produkt steht geschrieben, daß das ja alles furchtbar lustig sei. Will sagen: Wir meinen es ja gar nicht so, wie wir es verkaufen – erste Unschuldserklärung. Weiter heißt es: „Es ist ein beliebtes Mißverständnis, den Künstler mit der Kunst, die Handelnden mit den Erfindern zu verwechseln, die Imagination mit der Tat.“ „Rammstein“ wollen sich der Verantwortung über die Wirkung ihres Werkes entziehen – erdachter Freispruch auf allen Ebenen! Also Anklage wegen fahrlässiger Aufforderung zum Spiel mit Gewalt? Nein, denn die bislang perfekt inszenierte Show rund um „Rammstein“ würde nur noch weiter aufgeblasen werden und vor allem: Der Rezipient würde entmündigt!

Über die Musik wird indes wenig gesprochen, weil es kaum etwas zu berichten gibt. „Rammstein“ haben von ihrem Debüt „Herzeleid“ offiziell 400 000 Stück verkauft, weshalb sollten sie also das Erfolgsrezept nicht noch einmal anwenden: harte Gitarrenriffs, monoton-einfache Rhythmik, abdichtende Synthisounds und anhaltendes Geknurre als „Gesang“. Wirklich interessant sind nur die auf „sehnsucht“ häufiger eingesetzten Versuche von Till Lindemann, Melodie zu singen: Hier schreit die Lächerlichkeit des Gruselkabinetts „Rammstein“ zum Himmel!

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Rammstein: Sehnsucht (MOTOR). Am Mittwoch, 1. Oktober, treten Rammstein in der Frankenhalle auf (Beginn 20 Uhr).

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