Arbeit im Kerzenlicht

Das Erlanger Stadtmuseum zeigt die Werkstätten der Hugenotten - Modell der Neustadt aus Legosteinen - Geschichte seit 1870

"Man kann von denjenigen, die mit der Herstellung von Strümpfen aus Baumwolle beschäftigt sind, von Tag zu Tag mehr zählen, die von der Schwindsucht befallen sind...Die natürliche (Baum-)Wolle verteilt einen Staub, der eingeatmet einen Anlaß für hartnäckigen Husten, Blutspucken und Schwindsucht bieten kann." Wer sich im Erlanger Stadtmuseum über die Geschichte der Hugenotten informiert, der erfährt nicht nur etwas über den enormen wirtschaftlichen Aufschwung, den die Einwanderung der französischen Glaubensflüchtlinge im 17. Jahrhundert der damaligen Ackerbürgerstadt brachte. Ganz bewußt schildert die Ausstellung auch die teilweise elenden Arbeitsbedingungen der Strumpfwirker, Weißgerber, Handschuh- und Hutmacher.

Oft waren es Frauen und Kinder, die stundenlang an den Web- und Wirkstühlen saßen und sogar nachts im Schein einer einzigen Kerze, deren Licht durch eine mit Wasser gefüllte Glaskugel gebündelt wurde, ihrem mühseligen Tagwerk nachgingen. Damit der Besucher erahnen kann, wie das damals ausgesehen hat, steht eine nachgebaute Werkstatt mit Originalbeleuchtung im Museum.

Überraschende Details

"Alles soll möglichst anschaulich und nachvollziehbar sein", sagt Thomas Engelhardt, Sachgebietsleiter des Stadtmuseums. Der Historiker greift daher schon mal auf unkonventionelle Methoden zurück: Aus Legosteinen ließ er ein Modell der ab 1686 für die Neuankömmlinge errichteten Erlanger Neustadt bauen, so, wie sie ursprünglich geplant war. Zum Vergleich hängt ein Stadtplan daneben.

Es sind die vielen überraschenden Details, die aus einem Bummel durch die Ausstellungsräume im Altstädter Rathaus eine kleine Entdeckungsreise in Sachen Stadtgeschichte machen. Wer einmal durch das Museum geschlendert ist, der wird Erlangen anschließend mit anderen Augen durchstreifen. Die Besucher erfahren nicht nur viel Wissenswertes über die Hugenotten, mit deren Einwanderung nach Ansicht von Engelhardt das eigentlich "Spannende" in der Erlanger Historie erst begann, sondern können sich außerdem mit der Entwicklung der Stadt seit 1870 vertraut machen. Und auch hier erwartet Neugierige nicht etwa graue Theorie, sondern anschaulich aufbereitete Alltagsgeschichte.

Ob es um Erlangen im Kaiserreich geht oder um den Aufschwung nach 1945 - Ausstellungsmacherin Gertraud Lehmann hat die verschiedenen Perioden liebevoll in Szene gesetzt und jeweils die passenden Musikstücke herausgesucht. Besonders eindrucksvoll die Installation beim Kapitel "Erlangen im Nationalsozialismus": Aus dem Volksempfänger dudelt das offizielle Musikprogramm, über Kopfhörer ist zu empfangen, was damals als "entartet" galt. Nicht weniger beeindruckend sind einige angekohlte Papierfetzen - Überreste der am 12. Mai 1933 auf dem Schloßplatz als "undeutsch" verbrannten Schriften.

Ein paar Schritte weiter erinnert eine eiserne Tür, die zur militärischen Befehlsstelle im Keller des heutigen Museums führte, an das Ende dieser düsteren Epoche. Hier ließ sich der damalige "Kampfkommandant" Werner Lorleberg am 16. April 1945 zu einer kampflosen Übergabe der Stadt an die Amerikaner überreden. Daß er damit Erlangen vor der Zerstörung rettete, bezahlte der Oberstleutnant mit dem Leben: Wenige Stunden später wurde er unter ungeklärten Umständen erschossen.

"Pharaos Werkstatt"

Doch das Stadtmuseum, das in den vergangenen zehn Jahren umgebaut und auf die doppelte Fläche erweitert wurde, bietet mehr als die bislang zweiteilige Dauer-Schau zur Stadtgeschichte. Thomas Engelhardt legt großen Wert auf die wechselnden Sonderausstellungen. Derzeit können Besucher einen Blick in "Pharaos Werkstatt" werfen: Zu sehen ist Handwerkskunst aus dem antiken Ägypten. Bei einem Familientag am kommenden Sonntag (10 bis 17 Uhr) stehen Vorführungen und Mitmachaktionen auf dem Programm, Erwachsene und Kinder können altägyptische Handwerkstechniken ausprobieren und zum Beispiel kleine Grabfiguren töpfern oder einen Skarabäus aus Speckstein schnitzen. Ein solches Angebot ist Teil der Museumsphilosophie. Wann immer es geht, sollen vor allem die jüngsten Besucher selbst etwas ausprobieren können.

SILKE ROENNEFAHRT

Stadtmuseum Erlangen, Martin-Luther-Platz 8/9, geöffnet dienstags bis samstags 10 bis 13 Uhr und 14 bis 17 Uhr, sonntags 10 bis 17 Uhr.

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