Wo Nürnbergs Noble den Alltag vergaßen
Das Patrizierschlößchen Neunhof diente als Sommersitz und Jagdquartier – Barocke Gartenanlagen und herrschaftliches Interieur

Reich und mächtig waren die Nürnberger Patrizier meist durch den spätmittelalterlichen Fernhandel geworden. Doch spätestens seit der Wende vom 16. zum 17. Jahrhundert wollten viele der Nürnberger Noblen nicht mehr an den Ursprung ihrer Stellung erinnert werden. Auf dem Gipfel ihrer weltgeschichtlichen Bedeutung spielten die glücklichen Erben der emsigen Pfeffersäcke mit Hingabe die Rolle der alteingesessenen Landadeligen. Wie das ausgesehen hat, demonstriert anschaulich das museal aufbereitete Patrizierschloß Neunhof bei Nürnberg.

Daß Schloß Neunhof ursprünglich ein vorgeschobener Posten des Nürnberger Verteidigungssystems war, ein von Mauer und Graben umgebener Wehrturm, ist auch heute noch zu sehen. Für den heutigen Museumsbesucher weit wichtiger ist die Funktion als Sommersitz und Jagdquartier, welche Neunhof ab 1631 erfüllte. Im besagten Jahr kam das „Sitzlein“ im Knoblauchsland in den Besitz des Hans Wilhelm Kress, dessen Nachkommen es bis heute gehört.

Kostbare Jagdutensilien

Durch eine ausgedehnte barocke Gartenanlage gelangt der Besucher in das Herrenhaus. Im Erdgeschoß, im ehemaligen Schlaf- und Aufenthaltsraum für das Gesinde, sind Dokumente zur Geschichte des Schlosses sowie der Besitzerfamilie, aber auch seltene und kostbare Jagdutensilien ausgestellt. Ein Blick in die Schloßküche gegenüber läßt den luxuriösen Lebensstil der früheren Herren ahnen. Aufwendige Geräte, Steingut- und Kupfergeschirr und ein überraschend moderner Spülstein aus dem 16./17. Jahrhundert standen einem vielköpfigen Personal zur Verfügung.

Die auf diese Weise entstandenen Leckerbissen wurden im Speisezimmer für festliche Anlässe im 2. Obergeschoß verzehrt. Das Deckengemälde (eine Allegorie der Jagd mit der Göttin Diana) und die Bemalung der Türen stammen von Johann Hürner (1744). Der reich verzierte Ausziehtisch aus Eiche ist reines Barock, ebenso die geschnitzten Stühle. Der grünglasierte Kachelofen mit dem Wappen der Kress und allerlei allegorischen Darstellungen wurde nach 1750 eingebaut. Das nötige Personal ist in Abbildungen anwesend. Geschnitzte Holzfiguren stellen Jäger, Köche, Mundschenke dar.

Gebadet haben die alten Patrizier im Waschhaus im Hof, gebetet wurde direkt neben dem Festsaal. Die Schloßkapelle ist mit Altar, Kanzel und Orgel gut gerüstet (Mitte des 18. Jahrhunderts). Kunsthistorisch bedeutsamer sind diverse Gedächtnisbilder für Frauen und Männer aus dem Hause Kress, farbenprächtige Fenster-Glasbilder, aber besonders zwei Flügel des alten Hauptaltars der Kraftshofer Kirche, welche um 1500 entstanden sind. In Malerei und Flachrelief sind mehrere Heilige dargestellt. Zu ihren Füßen kniet jeweils ein Stifter, hinter sich das Kressenwappen mit Helmzier.

Intakte Kulturlandschaft

Auch bei der Besichtigung der Schlafräume und des schön proportionierten Wohnzimmers möchte der Museumsbesucher allemal Patrizier sein. Einrichtungsgegenstände aus dem 18. bzw. frühen 19. Jahrhundert atmen Behaglichkeit, welche durch einen Blick aus dem Fenster stets noch erhöht werden kann. Das Schloß ist umgeben von der (noch) intakten Kulturlandschaft des Knoblauchslandes mit seinen weiten Gemüsefeldern und spitzgiebeligen Häusern, schattigen Hainen und schmucken Kirchen.

Daß „ein großer Unterschied zwischen der städtischen und der ländlichen Muse ist“, schrieb einst Willibald Pirckheimer in einem ausführlichen Brief. „Eine Zeitlang von den unablässigen Geschäften und Sorgen befreit“, so Pirckheimer, konnten Nürnbergs Reiche auf ihren vorstädtischen Schlößchen ihr großbürgerliches Erbe auf „ritterliche“ Art genießen. Übrigens: daß die schwer arbeitenden Bauern ihr ländliches „Glück“ nicht in gleicher Weise zu „schätzen“ wußten, hat den seinen Urlaub genießenden Pirckheimer immer gewundert. BERND ZACHOW

Neunhofer Hauptstraße, Telefon (09 11) 30 55 60, geöffnet vom 29. 3. bis zum 28. 9., jeweils Samstag und Sonntag zwischen 10 und 17 Uhr, Eintritt 3 Mark.

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