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Freistaat sagt Beteiligung zu

  Der Freistaat Bayern wird sich am Dokumentationszentrum auf dem Nürnberger Reichsparteitagsgelände auch finanziell beteiligen.

Wie Kultusminister Hans Zehetmair gegenüber den Nürnberger Nachrichten erklärte, prüfe sein Haus derzeit verschiedene finanzielle Vorschläge und Modelle. Es sei aber „noch zu früh, um konkrete Summen zu nennen“. Kommende Woche wollen sich Vertreter des Kultusministeriums in Nürnberg über die Konzeption informieren. Gespräche mit der Stadt seien bereits seit längerem im Gange, hieß es.

Vertreter aller Parteien haben unterdessen das Projekt begrüßt. Innenminister Günther Beckstein bezeichnete die Konzeption als „ausgezeichnet“ und sagte, er sei „guter Dinge, was die Finanzierung angeht“. Bayerns SPD-Chefin Renate Schmidt sagte, das Dokumentationszentrum biete „die Chance für eine offene Auseinandersetzung mit der Geschichte“.

Das Ganze, sagt Beckstein, habe nur „einen kleinen Schönheitsfehler. Es ist zwar ein Fortschritt, daß überhaupt ein Dokumentationszentrum entsteht. Aber das gesamte Gelände ist konzeptionell immer noch nicht überdacht. Diese Überlegung sollte im Hintergrund schon vorhanden sein.“ Freilich: Beckstein muß passen, wenn er eine Lösung für das gesamte Reichsparteitagsgelände anbieten sollte.

Die hat auch Bayerns Kultusminister Hans Zehetmair nicht. Gefragt, welche Bedeutung er dem Gelände und der Ausstellung überhaupt einräume, antwortet der Minister nur recht vage, es habe „sicher eine zentrale historische Bedeutung. Allerdings müssen wir aufpassen, daß hier keine Gedenkstätte für die Ewiggestrigen entsteht.“ Kein Konzept also, und auch nur wenig Geld. „Für die Neugestaltung des gesamten Reichsparteitagsgeländes wären wir derzeit sicher finanziell überfordert“, sagt Zehetmair. „Grundsätzlich könnte ich mir jedoch vorstellen, daß wir an der Gestaltung eines Dokumentationszentrums mitwirken. Hier sind wir mit der Stadt im Gespräch.“

Als zentrale Gedenkstätte versteht Zehetmair das Reichsparteitagsgelände nicht; für ihn ist der Staat vor allem bei den ehemaligen Konzentrationslagern Dachau und Flossenbürg in der Pflicht. „Daneben gibt es zweifellos eine Reihe von lokalen Gedenkstätten, an denen andere Träger wie zum Beispiel die Kommunen gefordert sind.“ Die freilich sind häufig überfordert, und so hängt es auch in Nürnberg am Geld. Noch ist offen, wie hoch sich der Freistaat an den geschätzten Kosten von neun Millionen Mark beteiligen wird, und der Bund hat seine Unterstützung bislang nur zugesagt, aber noch keine Summe genannt. Die bayerische SPD-Chefin Renate Schmidt setzt deshalb neben dem Staat auf private Sponsoren. „Besonders herzlich“ danke sie dem Verleger der Nürnberger Nachrichten, Bruno Schnell, sagt sie, „daß er mit seiner persönlichen Spende und einer großen Geldsumme des Verlages ein beachtliches Signal gesetzt hat. Ich hoffe und erwarte, daß diese Unterstützung Nachahmer findet.“

Wichtig sei, sagt Schmidt, „daß alle an einem Strang ziehen. Dieses Projekt kann und darf nicht Gegenstand parteipolitischer Auseinandersetzungen werden.“ Danach sieht es auch nicht aus. Im Kuratorium sitzen namhafte Persönlichkeiten, etwa der Vorsitzende des Zentralrats der Juden, Ignaz Bubis, der christsoziale Spitzenpolitiker Oscar Schneider und der ehemalige SPD-Bundesvorsitzende Hans-Jochen Vogel; die bayerischen Spitzenpolitiker begrüßen das Projekt quer durch die politischen Lager und loben die Arbeit des Leiters der städtischen Museen.

Franz Sonnenberger hat das Konzept für das „Dokumentationszentrum zur NS-Geschichte“ entwickelt, die Leiterin der Dachauer Gedenkstätte Barbara Distl und ein Kollege haben es begutachtet und, wie der SPD-Abgeordnete Helmut Ritzer sagt, „begeistert befürwortet“. Nürnberg, sagt Ritzer, habe ein „lebendiges Museum dringend nötig“.

Die Stadt müsse mehr tun als andere, glaubt Ritzer, der nicht recht erklären kann, warum es anderen Städten so viel leichter fiel, ihre Geschichte zu verarbeiten. München etwa ist längst vom Image der Hauptstadt der Bewegung entfernt, Berlin in den Köpfen der Menschen nicht mehr die Hauptstadt des Reiches, Nürnberg aber immer noch die Stadt der Reichsparteitage. „Nürnberg darf seine Geschichte nicht verdrängen“, sagen Ritzer und die anderen, „sondern muß sie bewußt aufnehmen und sich damit auseinandersetzen“.

Das Dokumentationszentrum sei ein wichtiger Schritt, sagen alle. „In absehbarer Zeit wird es nur noch sehr wenige Menschen geben“, sagt Zehetmair, „die die Verbrechen des Nationalsozialismus als Zeitzeugen erlebt haben. Umso wichtiger werden jene Orte werden, durch die die Erinnerung wachgehalten wird.“ Renate Schmidt sieht im Zentrum „ein deutliches Zeichen, was angesichts wieder aufflammender Beschönigungstendenzen der Nazi-Ära und zunehmender Hetze gegen Ausländer nötiger denn je ist“. Und Günther Beckstein will das Projekt schon deshalb unterstützen, weil zwar „die Ausstellung Faszination und Gewalt sehr, sehr gut“ sei, aber im Winter geschlossen bleiben mußte.

Beckstein glaubt, daß „die Finanzierung bis Ende des Jahres steht“, schon weil die Finanzierung der Betriebskosten, sonst größter Hemmschuh bei Museumsprojekten, gesichert sei. Jetzt müsse geprüft werden, „über welche Töpfe die einmaligen Kosten gedeckt werden können“. Renate Schmidt hält dafür „den Gedanken einer Stiftung nach wie vor für verfolgenswert“.

ROLAND ENGLISCH

Nürnberger Nachrichten vom 26.6.1997

 

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