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 © Nordbayern Infonet

  Eine Chance für Nürnberg
Am Reichsparteitagsgelände muß ein Signal gesetzt werden
VON JOACHIM HAUCK

Nürnberg trägt schwer an seiner braunen Vergangenheit. München, dereinst symbolbeladene „Hauptstadt der Bewegung“ und Berlin, „Hauptstadt des Tausendjährigen Reiches“, werden kaum noch mit der schweren geschichtlichen Hypothek in Verbidung gebracht – doch Nürnberg hängt sie unerbittlich an: Die Stadt der Reichsparteitage, die Stadt des Judenhassers Streicher, die Stadt der schändlichen Rassegesetze, die Stadt der Nürnberger Kriegsverbrecherprozeße.

„Wort aus Stein“

In keiner anderen deutschen Stadt auch sind die Hinterlassenschaften der Hitler-Diktatur so allgegenwärtig. In Nürnberg stehen die monströsesten und irrwitzigsten architektonischen Zeugnisse des brauen Regimes: Das Reichsparteitagsgelände mit der Kongreßhalle, von den Nazis bewußt konzipiert als „Ergänzung des lebendigen Wortes des Führers, als Wort aus Stein“.

Die Bauten rund um den Dutzendteich sollten die Ideologie der Nazis versinnbildlichen – und dies tun sie bis auf den heutigen Tag: Sie sind dumpf, maßlos, menschenverachtend, brutal. Vom Reichsparteitagsgelände führt eine gerade Linie in einen schrecklichen Krieg und in die Massenvernichtungslager; das macht es zu einem Ort der Täter, wie er in dieser Ausprägung nirgendwo sonst in Deutschland anzutreffen ist.

Nach vielen erfolglosen, mitunter peinlichen und stets unzureichenden Versuchen hat Nürnberg endlich eine Chance, diesem Sinnbild von Großmannsucht und Gewalt ein Zeichen entgegenzusetzen, das in der Stadt und darüber hinaus gesehen wird: Ein Dokumentationszentrum, das erklärt, warum und wie das Furchtbare gewachsen ist, die Folgen der kollektiven Verblendung und des Wahnsinns zeigt, das der Opfer gedenkt, den nachfolgenden Generationen Erinnerung und Warnung zugleich ist.

Das Kongreßhallen-Projekt der Städtischen Museen erfüllt inhaltlich und optisch die Voraussetzungen für dieses notwendige Zeichen. Es wird von Nürnbergs Oberbürgermeister Ludwig Scholz befürwortet, istzwischen den demokratischen Parteien unumstritten, findet die Unterstützung der jüdischen Gemeinden und der christlichen Kirchen, wird von international anerkannten Fachleuten gelobt und gefördert. Es muß entschlossen angepackt und finanziert werden.

An der Finanzierung darf das Projekt, das auf seine Art Wichtiges zum Image dieser Stadt beiträgt, nicht scheitern. Zur Verwirklichung dieses Vorhabens wollen deshalb auch diese Zeitung und ihr Herausgeber einen namhaften Beitrag leisten, der freilich nur als Anschub und vor allem als Appell verstanden werden kann:

An den Nürnberger Stadtrat und andere Unternehmen des Großraums, sich im Bewußtsein der Verantwortung auch für die Vergangenheit der gemeinsamen Aufgabe zu stellen und die Finanzierung des Dokumentationszentrums zu sichern. Nürnberg muß durch eigenes Engagement nach innen wie nach außen ein Signal setzen – dabei können sich die Beteiligten einer nachhaltigen publizistischen Unterstützung und Aufmerksamkeit unserer Zeitung sicher sein.

Eine nationale Aufgabe

Klar ist freilich auch, daß die Auseinandersetzung mit der monströsen Hinterlassenschaft der Nazis die Kraft einer Kommune übersteigt. Sie bleibt, wie der deutsche Städtetag zuletzt 1996 bestätigt hat, eine nationale Aufgabe – zumal dem Reichsparteitagsgelände von seinen verblendeten Erbauern niemals eine lokale, sondern stets eine überragende nationale Bedeutung beigemessen worden ist.

Bund und Land stehen daher in der Pflicht, das ihre zu dem Projekt beizusteuern, was angesichts der Gesamtkosten von 9,5 Millionen Mark selbst in Zeiten knapper öffentlicher Kassen kein unlösbares Problem sein darf.

Die ersten Reaktionen aus Bonn und München sind ermutigend; ihnen müssen rasch verläßliche Zusagen folgen, damit auf dem Reichsparteitagsgelände, fünf Jahrzehnte nach dem Ende der Nazi-Barbarei, endlich eine überzeugende Gegenrede zum furchtbaren Wort aus Stein möglich wird.

   
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