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 © Nordbayern Infonet

 

Auf dem Reichsparteitagsgelände inszenierte
die NSDAP ihre Rituale der Macht

Steinerne Zeugen des Größenwahns

  NÜRNBERG. – Sein Erbe kann man sich nicht aussuchen. Während München als einstige „Hauptstadt der Bewegung“ mit den Hinterlassenschaften braunen Ungeistes auch international kaum identifiziert wird, haftet an Nürnberg noch immer der Makel der „Rassengesetze“ und, vor allem, der „Reichsparteitage“. Kaum ein Tourist, der nicht einen Abstecher zu den Monumenten nationalsozialistischen Größenwahns einplant.

Dabei hatte alles ganz friedlich angefangen am Gelände um den Dutzendteich; noch um die Jahrhundertwende suchten hier die Nürnberger Erholung im Grünen, vergnügten sich sommers in der Badeanstalt, um anschließend im gepflegten Standcafé eine Limonade zu trinken.

Doch mit zivilen Lustbarkeiten dieser Art hatte die braune Elite nichts mehr im Sinn. Noch während der Weimarer Republik waren Mitglieder der NSDAP in den Luitpoldhain gepilgert, um am dem damals neu errichteten Kriegerdenkmal Fritz Mayers ihren Heroenkult zu pflegen. Nach der Machtergreifung wurde das Gelände zum Aufmarschareal für das gleichgeschaltete Deutschland bestimmt.

Albert Speer wußte, was sein Auftraggeber von ihm erwartete. Die Kleingartenkolonie mußte weichen, dem parzellierten Wildwuchs setzte er steingewordene Monumentalität entgegen. Hitlers Untertanen sollte vor Augen geführt werden, mit welcher Ideologie sie es zu tun hatten: Angesichts der architektonischen Gigantomanie schrumpfte das Individuum namenlosen Nichts in der Menge.

Alles war auf Masse ausgerichtet. Die Luitpoldarena, die als Appellplatz für SA und SS diente, war für 150 000 Teilnehmer konzipiert. Auf dem Zeppelinfeld konnten 100 000 Mitglieder des Reichsarbeitsdienstes dem „Führer“ huldigen; im Städtischen Stadion paradierte die „Deutsche Jugend“.

Daß die Anlage nach Plänen von Otto Ernst Schweizer 1928 international prämiert wurde, imponierte der braunen Großmannssucht wenig. Speer wurde angewiesen, ein neues Stadion für 400 000 Zuschauer zu schaffen, das mit 540 Metern Länge, 445 Metern Breite, 82 Metern Höhe und geschätzten Baukosten von einer Milliarde Reichsmark jedes Maß sprengte. Von dem irrwitzigen Vorhaben zeugt heute nur noch der „Silbersee“ als Überbleibsel der einstigen Baugrube. Auch die Neue Kongreßhalle, in der Hitler nach dem Krieg seine Goldfasane zu empfangen gedachte, blieb in den zwölf Jahren des vermeintlich „Tausendjährigen Reiches“ unvollendet.

Fackeln und Fahnen

Das Spektakel, das sich zwischen 1933 und 1938 alljährlich im September auf dem Reichsparteitagsgelände abspielte, folgte der Choreographie eines politisches Weihfestspiels. Abertausende marschierten in abgezirkelten Kolonnen, mit Fackeln und Fahnen wurde ein quasi-sakraler Führerkult in Szene gesetzt. Im Ritual wurde die „Volksgemeinschaft“ auf eine kriegerische Zukunft vorbereitet.

1945 ließ Hitler halb Europa in Schutt und Asche zurück. Auch Nürnberg mußte bitteren Tribut zahlen. Aber während es der Stadt gelang, beim Wiederaufbau Moderne und Tradition zu vereinbaren, herrschte angesichts der steinernen NS-Monumente tiefe Ratlosigkeit. Wäre es besser, sie dem Verfall der Zeiten anheimzugeben und inzwischen profan zu nutzen, wie Hermann Glaser meinte? Oder eine mit religiösen Mahnungen versehene Gedenkstätte zu errichten, wie Karla Fohrbeck vorschlug? Die Frage, wie Nürnberg mit seinem braunen Erbe umgeht, ist noch immer offen. Vielleicht gelingt es jetzt, eine Antwort zu finden.

Daniela Schadt, Nürnberger Zeitung

 

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