Zurück zur Titelseite 

 © Nordbayern Infonet

 

Nürnbergs große Pläne mit dem Reichsparteitagsgelände

  Kahle Backsteinwände und rohe Betonfluchten; auf dem nackten Boden Bauschutt und Staub. Jahrzehnte hat sich hier nichts mehr getan. Genauer gesagt: seit 1942. Bis dahin wurde an der Kongreßhalle auf dem Reichsparteitagsgelände fieberhaft weitergewerkelt, während andere Baustellen längst schon verödeten. Dann ging auch hier den größenwahnsinnigen Planern die Luft aus.

Bis zum Jahr 2000 soll im Nordflügel des hufeisenförmigen Monumentalbaus der Nazis ein Dokumentationszentrum entstehen, von dem die Initiatoren hoffen, daß es bald nationales und internationales Renomee erwirbt. Seit Wochen wirbt schon der Direktor der Nürnberger Museen, Franz Sonnenberger, für das Projekt, mit dem Nürnberg aus dem lähmenden Dornröschenschlaf geweckt werden soll. Die Initiative wird von Politikern aller Parteien sowie Wissenschaftlern und Museeumsfachleuten unterstützt.

Die geschätzten Gesamtkosten belaufen sich auf 9,5 Millionen, wovon aus der Stadtund er Region, aber auch von Privatleuten schon 1,2 Millionen an Zusagen für Investitionskosten eingegangen sind. Bei einem Pressegespräch in den künftigen Museumsräumen äußerte gestern der Nürnberger Oberbürgermeister Ludwig Scholz die Hoffnung, daß vor allem der Bund sowie der Freisaat Bayern ihrer historischen Verantwortung nachkämen und das Dokumentationszentrum finanziell förderten. Scholz würdigte in diesem Zusammenhang das Engagement des Nürnberger Verlegers Bruno Schnell, der 250 000 Mark zur Verfügung gestellt hat (50 000 im Namen der NZ).

Der Oberbürgermeister machte klar, daß die Stadt 500 000 Mark im Haushalt vorgesehen habe und weiterhin die Betriebskosten übernehmen werde. Der Nationalsozialismus, so Scholz, sei zwar nicht in Nürnberg erfunden worden sei, er habe sich aber in der Stadt manifestiert, was zu einer Antwort herausfordere. „Mit diesem Ort der Täter darf nicht nur pragmatisch umgegangen werden.

Nürnbergs Baureferent Walter Anderle überraschte die Teilnehmer der Pressekonferenz mit der Ankündigung eines internationalen Architekturwettbewerbs, der sich auf das gesamte Parteitagsgelände erstrecken solle. Er werde unabhängig von der Installation des Dokumentationszentrums durchgeführt, soll dieses aber mit einbinden. Zwischen den Zeilen ließ Anderle erkennen, daß sich der ganze Berufsstand der Architekten bisher übergangen gefühlt und „Teilhabe“ eingefordert habe. Was umsonst wohl nicht zu haben ist. Anderle: „Es geht um Geld, um viel Geld.“

Gute Bausubstanz

Die bisher veranschlagten 9,5 Millionen Mark nehmen sich vor diesem Hintergrund ziemlich bescheiden aus. Museumsdirektor Franz Sonneberger geht von einer Drittelfinazierung aus, wonach jweils vier bis fünf millionen von Bonn und dem Freistaat getragen werden sollten. Die Bundesregierung habe bereits ihre zustimmugn siganalsiert, wenn sich Bayern beteilige. Sonneberger verwies auf die gute Bausub stanz der Kongreßhalle, die im Unterschied zu anderen Gebäuden auf dem Gelände sehr solide sei. Die drei Ausstellungsräume mit insgesamt 1200 Quadratmetern Fläche befinden sich noch immer im Rohzustand. Man ist sich nicht einmal sicher, wozu sie ursprünglich dienen sollten. Betrachtet man die Stärke der Mauern glaubt man dem Gerücht, daß der Nordflügel für die Aufbewahrung der Reichskleinodien (heute in Wien ausgestellt) vorgesehen war.

Die kahlen Wände sollen auf jeden Fall erhalten bleiben. Denn: „Auf keinen Fall wollen wir zu Ende führen, was die Nazis begonnen haben,“ betonte Sonneberger, der im ersten Raum die Schauseite des sogenannten Dritten Reiches am Beispiel der Stadt Nürnbberg dokumentieren will. Der zweite, bunkerähnliche Raum ohne natürlichen Licheinfall eignet sich für die Darstellung des Terrors, des Schreckens und des Holocausts. Im dritten Saal schließlich soll die Geschichte des Reichsparteitagsgeländes nach 1945 dokumentiert werden. Es ist eine unrühmliche Geschichte, die verdrängt wurde und über die Gras wachsen sollte - im wahrsten Wortsinn, war doch geplant, hier ein Bundesgartenschau stattfinden zu lassen. Die Kongreßhalle selbst sollte zunächst Stadion, später Autokino, dann Einkaufszentrem mit Seniorenheim werden.

Spät, aber nicht zu spät ist man in Nürnberg aufgewacht. Die eigentliche Arbeit, dies wurde jetzt in der Pressekonferenz deutlich, steht allerdings noch bevor.

-ki-

(Nürnberger Zeitung, 16.7.1997)

 

E-Mail

zurück zur Titelseite NORDBAYERN INFONET