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Von Nürnberg soll
eine Botschaft ausgehen

  Bei der ersten Tagung des wissenschaftlichen Beirats zum geplanten Dokumentationszentrum waren sich die Teilnehmer schnell über die inhaltlichen Leitlinien für die künftige Ausstellung in der Kongreßhalle einig geworden. Ausgehend vom Gelände sollen Perspektiven auf das NS-Regime und seine Auswirkungen eröffnet werden. Das hochkarätige Gremium wird bei regelmäßigen Treffen im Halbjahresrhythmus die Planung des Doku-Zentrums begleiten. Zu dem siebenköpfigen Wissenschaftlerkreis gehört auch Professor Hermann Schäfer, der Leiter des Hauses der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland in Bonn.

Herr Professor Schäfer, welchen Eindruck haben Sie bei Ihrer Visite des ehemaligen Reichsparteitagsgeländes gewonnen?

Schäfer: Ich war zum ersten Mal auf dem Gelände überhaupt. Es ist schon bedrückend, wenn man sieht, wie die Propaganda der Nationalsozialisten hier in Szene gesetzt wurde: durch die monumentalen Bauten, durch die Art der Anlagen.

Wie beurteilen Sie die Beziehung zwischen dem ehemaligen NS-Aufmarschgelände und Nürnberg?

Schäfer: Der Name der Stadt ist verbunden mit den Parteitagen. Nürnberg muß offensiv mit dem Thema umgehen, indem es diese Hinterlassenschaft als Kulisse der Gewalt dokumentiert und das nationalsozialistische Terrorregime mit seinen Auswirkungen darstellt.

Wo sollten die Schwerpunkte des Dokumentationszentrums liegen? Was müssen die Macher der Schau beachten?

Schäfer: Man muß hier die Geschichte der Parteitage erzählen in ihrem Charakter von Propaganda und Verführung. Die Beeinflussung der Menschen ging aber weit über Nürnberg hinaus. Insofern ist die Arbeit an diesem Thema keine reine Nürnberger Angelegenheit. Das ist ein Ort, der seinesgleichen in Deutschland nicht hat, und der darum von nationaler Bedeutung ist. Von Nürnberg sollte die Botschaft ausgehen: Uns muß immer bewußt sein, auf welche Weise politische Verführung durch Propaganda geschieht. Es geht um eine Mahnung aus der Geschichte am Ort des Geschehens. Wenn man Geschichte erzählen will, muß man aber auch die Emotionen der Menschen wecken. Auch junge Leute sind über Erzählungen der Eltern und Großeltern sehr nah am Thema dran und durchaus durch eine Ausstellung zu beeindrucken. Nur über innere Anteilnahme kommt man dazu, daß die geistige Auseinandersetzung stattfindet.

Die Initiative für das Dokumentationszentrum geht derzeit allein von Nürnberg aus. Soll dies so bleiben?

Schäfer: Da es sich nicht nur um eine kommunale und bayerische Aufgabe handelt, ist eine überregionale Trägerschaft sinnvoll. Die Stiftungsverfassung hat sich da sehr bewährt. Dabei muß auch der Bund mitwirken. Und er muß sich fragen lassen, ob das Nürnberger Reichsparteitagsgelände nicht ein historischer Ort von nationaler Bedeutung ist, der so ähnlich gepflegt und mit Zuwendungen unterstützt werden muß, wie sonst eine Gedenkstätte.

Was sollte mit den NS-Bauten, die seit 1973 unter Denkmalschutz stehen, geschehen?

Schäfer: Zumindest die Haupttribüne auf dem Zeppelinfeld muß so instandgehalten werden, daß sie einfach ordentlich in Schuß ist. Die anderen Zuschaueranlagen jedoch muß man nicht so pflegen. Denkmäler haben auch das Recht, daß die Natur über sie hinweggehen kann. Die drei kleineren Tribünenwälle sollten regelrecht zuwachsen, wie das jetzt schon geschieht. Und ansonsten sollte man die Flächen und Plätze den Menschen überlassen, die dort gerne ballspielen, autofahren oder inlineskaten. Interview:

Siegfried Zelnhefer, Nürnberger Nachrichten vom 1.8.97

 

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