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Wie der Gutachter die NS-Dokumentation sieht
Schöllgen: "Das ist ein Glücksfall für Nürnberg"

  Die Zeiten für kulturelle, also auch historische Großprojekte sind schwierig geworden, denn die notwendigen Gelder sind knapp in wirtschaftlich prekären Phasen. Dennoch läßt sich Gregor Schöllgen seinen Optimismus nicht nehmen, was das geplante Dokumentationszentrum zur Geschichte des Nationalsozialismus am Nürnberger Reichsparteitagsgelände angeht. „Mit 9,5 Millionen Mark läßt sich eine Menge bewerkstelligen“, findet der Erlanger Historiker, der in seinem Gutachten maßgeblich die Leitlinien entworfen hat, die im Jahr 2000 die NS-Dokumentation prägen werden.

„Wenn die Finanzierung gesichert ist, dann wird es eine Sache, die sich sehen lassen kann. Ein Glücksfall für Nürnberg“, sagt der 45jährige Ordinarius für Neuere und Neueste Geschichte. Schöllgen muß es wissen, denn er gilt als einer der profiliertesten Kenner der deutschen Zeitgeschichte. Sein Wort hat Gewicht.

Positiv gestimmt hat Schöllgen, daß sich die wissenschaftliche und gesellschaftliche Prominenz dem Projekt nicht verschloß, ganz im Gegenteil. Kuratorium und Beirat sind erstklassig besetzt, die Finanzierung erhielt durch private Geldgeber – der Verleger dieser Zeitung hat sich mit insgesamt 250 000 Mark beteiligt – einen ersten Schub. Nun sind der Bund, das Land Bayern und auch die Stadt Nürnberg an der Reihe.

Der erste Schritt hin zu der Dokumentation wurde in fachlicher Hinsicht schon getan. Der wissenschaftliche Beirat hat Schöllgens Gutachten – wie berichtet – abgesegnet. Die Inhalte sind also grob vorgegeben. Ausgehend von der lokalen Bedeutung des Reichsparteitagsgeländes wird mit einer Vielzahl von Themen der Blick auf die Situation im gesamten Nazi-Deutschland gelenkt. Weltpolitische Konsequenzen werden nicht außer acht gelassen. Mit Hilfe verschiedener Fragestellungen soll eine publikumswirksame Dokumentation aufgebaut werden. Einige Beispiele:

Warum wurde gerade Nürnberg, die fränkische Arbeiterstadt, als Stadt der Reichsparteitage ausgesucht?

Welche Rolle spielten die Parteitage für den sogenannten „Führermythos“?

Was bewirkte das „Massenphänomen“ und wie wurde es von der Propagandamaschinerie genutzt?

Was bedeuteten die Spektakel für die Stadt und die Region?

Wie reagierte die Partei auf Pannen oder unerwartete Entwicklungen?

Welchen Eindruck gewann das Ausland von den Parteitagen?

Die Reichsparteitage als Foren der Verkündigung; man denke an die Rassengesetze 1935.

Welche Folgen hat Nürnberg aus den Reichsparteitagen zu tragen?

Schöllgen könnte sich vorstellen, daß das „Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände“ – so der etwas sperrige Arbeitstitel; die letztendliche Benennung steht noch aus – für die Stadt Nürnberg ein bedeutender Wirtschaftsfaktor werden könnte. Schon heute zählt das Gelände am Dutzendteich zu den meistbesuchten Orten der Stadt. Eine wissenschaftlich fundierte und gleichzeitig eingängige Dokumentation könnte den „Besuchswert“ noch steigern, davon ist Schöllgen überzeugt. „Das wird keine Provinzveranstaltung“, sagt er, „sondern eine Sache, die keinen Vergleich zu scheuen braucht.“ Aber nur, wenn die Finanzierung klappt.

Stephan Sohr, Nürnberger Zeitung vom 31.7.97

 

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