Ein Lehrer im infernalischen Sog der Gefühlskälte
Kevin Reynolds zeigt in dem Film „187“ die Brutalität an amerikanischen Schulen

Bevor die Schüler das Schulge- bäude betreten dürfen, müssen sie wie am Flughafen eine Sicherheitskontrolle passieren. Mit Metaldetektoren werden sie von Aufsichtsleuten nach Waffen durchsucht.

Dies ist nicht die neueste Verordnung aus dem Unterrichtsministerium, sondern Teil des äußerst brutalen und dennoch realistischen Films „187“ von Regisseur Kevin Reynolds („Waterworld“). Hinter der Nummer 187 steckt der US-Polizeicode für Mord. Biologielehrer Garfield (Samuel L. Jackson) findet eines Tages diese Zahl in ein Lehrbuch geschmiert. Das Buch gehört einem Schüler, der in Garfields Kurs durchfallen wird. Der skrupellose Eleve rächt sich mit eini gen Stichen in Garfields Nierengegend. Schwer verletzt überlebt Garfield.

Schonungslos zeigt dieser Spielfilm die US-amerikanische Realität an manchen Schulen. Auch der Hinweis am Ende, daß das Drehbuch von einem Lehrer geschrieben wurde, bekräftigt nur die hier abgebildete Wirklichkeit. Die derbe und extrem aggressive Sprache unter den Schülern, der Konsum von Alkohol und Drogen sowie die grassierende Unlust irgendetwas zu lernen sind die eher kleineren Übel mit denen sich die Pädagogen herumschlagen müssen. Kriminell wird es erst als sich der von dem Angriff gezeichnete Garfield zur Wehr setzt. Aller erzieherischer Idealismus ist dahin. Der Nie dergestochene sieht sich gezwungen die gleiche brutale Sprache zu sprechen.

Reynolds beläßt es aber nicht nur bei der Darstellung der Kriminalität in der Spielhandlung. Mittels überbelichteten Einsprengseln, bewußt gewählten Unschärfen und einer wild entfesselten Kamera übersetzt er die aggressive Grundstimmung in die Bildebene. Der Zuschauer kann sich somit dem infernalischen Sog der Gefühlskälte und Verrohung nicht entziehen. Ein Hollywoodfilm, der erfreulicherweise ein heißes Thema nicht mit den üblichen, besänftigenden Erzählstukturen verharmlost. Ein sehenswertes Porträt amerikanischer Verhältnisse. rs

 

Samuel L. Jackson wurde als philosophierender Killer in Quentin Tarantinos „Pulp Fiction“ bekannt.

Jackson brilliert in der Rolle des engagierten, gläubigen und grundehrlichen Lehrers Garfield in Kevin Reynols „187“. Garfield wird von einem Schüler niedergestochen. Er überlebt zwar, doch verläßt ihn dieses Trauma nicht. Erst nach einem Jahr wagt er sich als Aushilfe wieder in ein Klassenzimmer. Hier wiederholt sich scheinbar alles. Er erhält die Drohung „187“. 187 ist der Paragraph für Mord im amerikanischen Strafrecht. Zugleich Abkürzung im Funkverkehr der Polizei und Code im Jargon der Jugendgangs.

Lehrer Garfield, von den Vorgesetzten im Stich gelassen, greift nun selbst durch. Das tut er gleichermaßen subtil wie brutal. Die Spirale der Gewalt wird immer enger. Spannend ist das inszeniert. Und untermalt von sehr guter aktueller Musik („Galliano“, „Massive Attack“, „Method Man“, der eine Nebenrolle übernahm). Doch ist die Wandlung des korrekten, integren Mannes Garfield zum Rächer der Lehrergewerkschaft nicht deutlich gemacht. Auch seine (Mord-)Taten sind nicht sichtbar. Nur die Folgen. Darüber kann man hinwegsehen. Das eigentlich Manko von „187“ ist aber, daß zwar sehr viel über das Versagen eines Systems geredet, aber nicht gezeigt wird, warum das so ist. Am Ende marschiert eine Armee von Absolventen im Gleichschritt zum Diplom. Mit Bildung aus dem Elend, der Gewalt. Wem das nicht paßt, der soll draußen bleiben. Im nächsten Sommerloch sprechen wir wieder über Schulgebühren. gro

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