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Am Ende
der Gewalt
Der neue Wim Wenders: Helden der Tele-
kommunikation in einem rätselhaften Krimi

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Kritik der Nürnberger Zeitung A

Im Kino, diesem Himmel auf Erden, werden die Toten wieder lebendig, und zu den wenigen wirklich berührenden Szenen in Wim Wenders' neuem Film gehören zumindest die Auftritte von Sam Fuller. Da ist das Rauhbein unter den amerikanischen Regisseuren, erst vor kurzem verstorben, noch einmal zu sehen. Ein alter, schon etwas müder Krieger, der die Zigarre bereits abgelegt hat (vom Revolver ganz zu schweigen) und ziemlich genau weiß, daß er den letzten Kampf nicht gewinnen wird. Schwach, aber verschmitzt, tippt er auf seiner mechanischen Schreibmaschine herum, von der er sich auch in modernen Zeiten nicht trennen will: eine kleine, große Geste gegen den Stand der Dinge. Mach's noch einmal, Sam.

Man muß, unweigerlich, an all die anderen dahinschwingenden Väter und Vorbilder von Wenders denken, an Nick Ray in „Lightning over water“, an Curt Bois in „Der Himmel über Berlin“ oder Heinz Rühmann in „In weiter Ferne, so nah!“. Bei Sam Fuller ergeben sich jedoch, ebenso unweigerlich, Bezüge zu einem Kino, das, gerade wenn es von Gewalt handelt, ganz aus dem Bauch kommt und dem Schrecken mit unbekümmerter Ambivalenz auch seine Schönheit zugesteht. Die Kraft, die es so erzeugt, kann man bei Wenders' Kopfgeburten dagegen nur vermissen. Wenders denkt zuviel und zeigt zuwenig: so bleibt „Am Ende der Gewalt“ ein ermüdender Essay, der sein Thema nur aus sicherer Distanz behandelt, blutarm und gedankenblaß.

Es geht, wie meist bei Wenders, vor allem um das Machen von Bildern und ihre Macht, die Gefahr des Mißbrauchs und die Manipulation in unseren Hirnen. Zwei Männer erkennen den Zusammenhang und ändern sich, ihr bisheriges Leben findet dadurch, so oder so, ein Ende. Mike Max (Bill Pullman), Produzent von Filmen, in denen Gewalt für Gewinn an der Kasse sorgt, thront mondän über den Hügeln von Los Angeles, kommuniziert nur noch via Computer und kämpft nebenher um seine Ehe. „Ich werde dich verlassen“, haucht Andie MacDowell als gelangweilte Gattin ins Handy und fährt sich leidend durchs Haar – doch das Problem löst sich anderweitig. Mike wird entführt und wandelt sich unter freundlichen Mexikanern zum neuen Menschen, gärtnernd und grundgut.

Ray Bering (Gabriel Byrne) ist der andere Pol des Films: ein Programmierer, der von seinem Observatorium aus nicht in die Sterne schaut, sondern in die Straßen der Stadt, und für das FBI eine flächendeckende Videoüberwachung installiert hat. Als er wahrnimmt, daß jede Kamera auch eine Waffe darstellt (und dies nicht nur metaphorisch), steigt er ebenfalls aus: das hätte man sich durchaus spannend vorstellen können. Wenders aber (und sein Autor Nicholas Klein) langweilen mit fader Personenführung und diffusem Plot, platten Nebenfiguren und nicht nachvollziehbarer Psychologie. Die visuelle Eleganz kann die fehlende Energie hinter den Bildern nicht ersetzen.

„Warum dreh ich überhaupt in Amerika? Ich hätte in Europa bleiben sollen“, sagt sich Udo Kier als Regisseur in „Am Ende der Gewalt“. Das ist als Scherz gemeint, aber für Wim Wenders gilt traurigerweise nichts anderes.

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Kritik der Nürnberger NachrichtenB Zurück nach oben

Es ist gar nicht so sicher, ob die Filmemacher immer den Symbolgehalt ihrer eigenen Bilder bestimmen. Als Wim Wenders nach der Europa-Premiere seines Hollywood-Essays „Am Ende der Gewalt“ in Hof die übriggebliebenen Zelluloid-Schnipsel wie Lotto-Lose ans Publikum verteilte, war die Wirkung rührend. Ein international anerkannter deutscher Regisseur versteht sich auf die Kunst des Souvenirs: Endgültig Abschiednehmen vom Autorenfilmer, der jetzt – wieder einmal – ins Industrielabor Kaliforniens zurückgekehrt ist.

Dort arbeitet man nicht auf eigene Faust und läßt sich nicht staatlich fördern. Dort ist es aber möglich, versponnene Puzzle-Spiele zu inszenieren, von denen man auch in zweiter Fassung nicht alles versteht. Wim Wenders, der seine Filme immer gern verrätselt hat, bringt es damit zu höchster Kritiker-Aufmerksamkeit. Ausschweifige Betrachtungen befassen sich mit seiner Ästhetik, untersuchen die Karriere-Knicke und verteidigen den dauerhaften Anspruch aufs Avantgardistische.

Beim Stand der Dinge ist Wenders nun als Sinnstifter geoutet worden. „Wie soll man leben?“ oder „Wie leben wir?“ sind Fragen, die nach wie vor im Kino ihren Platz haben. „Auch mit digitalen Effekten und in Dolby Stereo“, sagt der Künstler. Sein Alter ego im neuesten Film heißt Mike Max (Bill Pullman), ist Movie-Tycoon mit Wahnsinns-Villa in Malibu und einer elektronischen Ausrüstung, die Computer-Methusalems baff macht. Vom Pool aus, mit Blick auf den Pazifik, ist Max mit seinen Geschäften vor Ort. Ladys aus Tokio berichten über den letzten Stand der Dreharbeiten, gleichzeitig bedient der Herr über ein Action-Imperium mehrere Standleitungen zur Erforschung des Erfolgs.

Die Wenders-Kamera geht ganz nah ran, Bill Pullmans Gesichtszüge bilden ihre eigene Landschaft, menschliche Reaktion versus Technik. Auch die persönlichen Beziehungen sind nur noch eine Frage der Handy-Frequenz. Max' Ehefrau Paige (selten so schön fotografiert: Andie MacDowell - Bild rechts) teilt vom Schlafgemach aus mit, daß sie sich vom Gatten zu trennen gedenkt. Dazwischen fiepsen alle verfügbaren Apparate zur Bestätigung globaler Kommunikation.

Parallel zum Problem-Helden Mike hat Wenders zusammen mit seinem wendigen Drehbuchschreiber Nicholas Klein eine zweite Männer-Figur erfunden, die dem Mike Max in Haltung und Handlung zum Verwechseln gleicht. Gabriel Byrne spielt den Programmierer Ray Bering, der ein Oberservatorium zur Überwachungszentrale ausgebaut hat und jedes Eck von Los Angeles durchleuchtet. So erstickt man die Kriminalität im Keim, meint das FBI. Sehr vom letzten Stand, das Thema, auch wenn Wenders – das macht den Film schon sympathisch – keinen Kommentar zur inneren Sicherheit vorlegt.

Allerdings legt der Regisseur auch keine Gehschichte vor, an der der Zuschauer Halt fände. Zustandsschilderungen in betörenden und beklemmenden Bildern, geheimnisvolle Morde über Video und Telefon zugespielt, Systemstörungen, die den Fall vertuschen. Mike Max wird zum Aussteiger und beobachtet von draußen sein eigenes altes Leben, in dem Studiokulissen den Bildern Edward Hoppers nachgestellt sind. Da entgeht der kühle Wenders nicht dem Hang zum romantischen Traum von der Alternative, den ausgerechnet einer verwirklicht, der gewinnträchtige Gewaltfilme produziert.

Ähnlich geht Wenders mit einer anderen Figur um: Sam Fuller in der doppelten Vaterrolle. Der Auftritt wurde zum Vermächtnis, Fuller, Regisseur drastischer Actionfilme mit Kultstatus, starb vor kurzem 85jährig. „Am Ende der Gewalt“ zeigt ihn störrisch altmodisch, eingeigelt in einem dunklen Appartement, die Schreibmaschine partout nicht gegen den Computer eintauschend – noch so ein vieldeutiges Symbol im Wenders-Kosmos.

Begreiflicher wird der nicht durch Kamera-Loopings über den Highways rund um L.A., durch verästelte Krimi-Stränge und unsichtbare Todesschüsse. Ohne schlüssige Story, mit Einstellungen von großer Sogkraft vermittelt Wim Wenders sein Bild einer total konstruierten Welt, die vom Lebensgefühl einer kleinen, aber dominanten Gruppe bestimmt wird. Dem Industrielabor Hollywood eben. Ein Film für Liebhaber visueller Belletristik. INGE RAUH

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Amerikanische Homepage des Wim Wenders Filmes (engl. - mit Shockwave-2-Plugin) jede Menge "kb"!

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