Der Sog der dunklen Seite
Gespräch mit Katja Riemann zu "Die Apothekerin"

„Eine Frau mit Risiken und Nebenwirkungen“, heißt es über Hella Moormann, die Hauptfigur von Ingrid Nolls Bestsellerkrimi „Die Apothekerin“. Treffenderes ließe sich auch über Katja Riemann (34) kaum sagen, die in Rainer Kaufmanns Kinoadaption die Titelheldin spielt. NZ-Mitarbeiter Josef Lederle sprach mit der Darstellerin.

NZ: Ist es Zufall, daß sie in letzter Zeit hauptsächlich Frauen mit schwerem Schicksal spielen?

RIEMANN: Wenn man die dreißig überschritten hat, steht einem jugendliche Naivität nicht mehr besonders. Das Leben hinterläßt Spuren, im Gesicht und in der Seele. Zudem finde ich es reizvoller, einen schwierigen Charakter zu erarbeiten, mit Abgründen, unterdrückten Leidenschaften und einer Gefühlswelt, die nicht so einfach zu durchschauen ist.

NZ: Dann war Ihnen Hella Moormann ja auf den Leib geschrieben?

Mich hat ihre Ambivalenz fasziniert, ihre schillernden Widersprüche. Auf der einen Seite träumt sie von einer gutbürgerlichen Existenz. Andererseits aber spürt sie auch eine dunkle, destruktive Seite in sich, einen Sog, gegen den sie mal erfolgreich, mal verzweifelt ankämpft.

NZ: Haben Sie eine Erklärung für diese dunkle Seite?

Ich glaube, das ist einem in die Wiege gelegt. Oder vielleicht in frühen Jahren entstanden. Im Film gibt es die Kindheitssequenz, in der der vegetarische Vater der Familie das Fleisch entzieht. Das ist für mich ein wunderschönes Symbol für unterdrückte Wollust. Aber was es im einzelnen auch war: Hella mußte damit zurechtkommen. Mit irgendwelchen Tabus und Neurosen läuft schließlich jeder durchs Leben, da braucht man gar nicht katholisch erzogen zu sein.

NZ: Ist Hella eine Art neuer Trümmerfrau, die von den Männern über den Tisch gezogen wird?

Das ist mir zu einfach, wenn man sagt, Hella verliebt sich in einen Mann, der sie schlecht behandelt, weshalb sie ihn umbringt. Darauf könnte man es reduzieren, aber das wäre zu wenig. Den Geschlechterkampf tangiert der Film ja nur am Rande. Die Männer sind doch wunderbar zu Hella, auch wenn sie ihr das Geld aus der Tasche ziehen.

NZ: Trotz des makabren Stoffes soll es beim Drehen recht lustig gewesen sein?

Wir hatten irre viel Spaß. Mitunter mußten wir abbrechen, weil nichts mehr ging. In der Szene mit der marokkanischen Nacht haben wir uns vor Lachen am Boden gekrümmt und der Kameramann hat einfach draufgehalten. Eine tolle Vision, daß so eine Dreiecksgeschichte auch funktionieren könnte, wenn ein bißchen Toleranz und Verständnis im Spiel ist.

NZ: Was schätzen Sie an Rainer Kaufmann?

Seine Kooperation und Autorität. Er ist jemand, der nie hetzt und uns das Gefühl gibt, wir haben alle Zeit der Welt. Ich bin keine Schauspielerin, die den Druck braucht, um gut zu sein. Ich habe das am Theater erlebt, das hat gereicht.

NZ: Andere Schauspieler ihrer Generation suchen sich ein zweites Standbein als Produzent oder Regisseur. Nichts für Sie?

Doch, solche Überlegungen gibt es. Die stecken aber noch in den Kinderschuhen. Wir sind sozusagen am Basteln. Wenn das Kind mal einen Namen hat, reden wir weiter.

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