Mafia einmal anders: Mike Newells gelungener Film „Donnie Brasco“
Jenseits von Bossen in feinem Zwirn

Kritik aus der

Er ist keiner der großen Bosse, jener ehrenwerten Herren, die in feinem Zwirn aus blankpolierten Limousinen steigen, ihren Leuten ein paar Anweisungen zuraunen und die dicken Scheine kassieren. Lefty (Al Pacino) ist ein Mann für die wirklich schmutzigen Jobs. Und er ist ein Verlierer, einer, der dreißig Jahre lang für die „Familie“ geschuftet hat und sich doch kein schnelles Auto leisten kann. „Ich bin nur ein einfaches Rädchen im Getriebe“, sagt er resigniert.

Auch Donnie Brasco (Johnny Depp), den Lefty für seinen Freund hält, steht ganz unten in der Hierarchie. Aber, ohne daß Lefty davon weiß, auf der Gegenseite: Joe Pistone heißt er in Wirklichkeit, und seine Chefs vom FBI haben ihn beauftragt, den New Yorker Mafia-Clan der Familie Bonanno zu unterwandern.

„Donnie Brasco“ von Mike Newell („Vier Hochzeiten und ein Todesfall“) basiert auf wahren Ereignissen, die von dem echten Joe Pistone in Buchform festgehalten wurden. Doch anders als so mancher Film, der eine spektakuläre Geschichte durch den Hinweis auf tatsächliche Begebenheiten zu legitimieren versucht, ist „Donnie Brasco“ eine fesselnde, recht ruhige und angemessen düstere Erzählung. Zwischen Joe Pistone alias Donnie Brasco und dem Killer Lefty, der ihn ahnungslos in die „Familie“ einführte, hat sich eine Art Vater-Sohn-Beziehung entwickelt, und Donnie weiß: In dem Moment, in dem er den Mafia-Clan auffliegen läßt, unterzeichnet er Leftys Todesurteil.

Johnny Depp hat mit diesem Film den endgültigen Übergang vom Teenie-Idol zum „erwachsenen“ Schau spieler gepackt. Es gelingt ihm ohne viel Worte, die Zerrissenheit eines Mannes sichtbar zu machen, der zwischen seinem gefährlichen Auftrag, seinem väterlichen Freund und den berechtigten Ansprüchen seiner Familie aufgerieben wird. Auch Anne Heche als Pistones Ehefrau und Michael Madsen als Mafiaboß Sonny Black leisten gute Arbeit.

Die stärksten Momente aber gehören Al Pacino. Mit schäbigem Mantel und hängenden Schultern geht er als Lefty fatalistisch seinem Schicksal entgegen und die Szene, in der er vor dem finalen Treffen mit den Bossen langsam und sorgfältig seine privaten Wertsachen ablegt, ist ergreifend wie selten in Filmen dieses Genres. map

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Al Pacino war einmal Michael Corleone. Ein mächtiger Pate der dritten Generation, aufgewachsen mit den unumstößlichen Regeln der Familie, die ihren Verhaltenskodex noch aus Sizilien mitgebracht hatte. Nun muß man beobachten, wie Al Pacino den zerknitterten Mafioso Lefty Ruggiero spielt, ein Mann am Ende seiner Laufbahn, ewiges letztes Glied in der Banden-Hierarchie, das unbedeutende Rädchen in der Killer-Maschinerie, das nach Auftrag zu funktionieren hat. Als Lefty zur eigenen Exekution gerufen wird, vollzieht sich das Ritual lautlos. Er steht zuhause vom Sessel auf, legt im Flur die Ringe, die Halskette, und andere Habseligkeiten ab und ruft ins Wohnzimmer: „Wart nicht auf mich, Schätzchen“.

Vorher hat Lefty seinem Freund Donnie Brasco noch erklärt, daß sie beide einfach losgehen und ihre Arbeit machen werden. In diesem Fall eine unliebsame Figur abknallen. Es kommt aber das FBI dazwischen und läßt Leftys gesamte Familie hochgehen. Schuld daran ist Brasco, der eigentlich Joe Pistone heißt und als Undercover-Agent jahrelang bei der Mafia von Brooklyn spioniert hat. Diesen Pistone gibt es wirklich, er schrieb ein Buch über die Zeit seiner doppelten Idendität und beriet die Filmleute. Noch immer, so heißt es, lebt er verdeckt, denn die Familie vergißt keinen.

Die Pistone-Story hätte das Format für Martin Scorsese („Good Fellas“), der New York von innen kennt und diese unverwechselbar explosive Stimmung erzeugen kann. Aber um den Thriller ging es hier nur zweitrangig, eher schon im Abhängigkeiten und vertrackte Rollenspiele. Und um eine Männerbeziehung von klassischem Ausmaß, der Berufsverbrecher und sein Jäger, der in der Annäherung an den anderen immer mehr Ähnlichkeiten entdeckt. Einem im Genre unerfahrenen Engländer haben die Amerikaner zugetraut, mit diesem komplexen Thema fertig zu werden. Mike Newell, dem Publikum durch „Vier Hochzeiten und ein Todesfall“ bekannt.

Der Regisseur mit Sinn für die humorigen Seiten gesellschaftlicher Abgründe, läßt in erster Linie seine Stars auftrumpfen, entwickelt aber gleichzeitig ein Gespür für Zeit- und Lokalkolorit. Die Mafiosi mit diesen verkrumpelten, engen Polyester-Anzügen der siebziger Jahre, die Koteletten und kleinen Hüte, Kragen überm Revers, schäbig, eitel und verblendet. Die Kneipen auch aus Plastik, Florida hingegen ein knallbunter Traum für den Profi-Killer der unteren Etage. Al Pacinos Lefty hat es auch nach 26 Auftragsmorden noch nicht weiter gebracht, nun bürgt er für Brasco, läßt sich von ihm herumkutschieren und schenkt ihm tödliches Vertrauen.

Newell interessiert das Innenleben des Syndikats, obwohl er alles von außen betrachtet, wie diese selbstherrlichen Gangster bei aller Gerissenheit der eigenen Beschränktheit aufsitzen. Mächtig legt sich Johnny Depp ins Zeug, richtig erwachsen als Cop mit eisernen Nerven, der sich in gefährlichsten Randzonen bewegt und das eigene Privatleben Zug um Zug verliert. Auch da ist der englische Regisseur lakonisch und manchmal komisch, wenn zum Schluß die Polizei ihren Helden mit einer Medaille und ganzen fünfhundert Dollars ehrt. Da hatte der von seinen Mafia-Kumpels schon 300 000 in der Beutetasche.

Frauenschwarm Depp hält sich beachtlich, aber gegen Al Pacino? Er hat einmal den besten Kino-Cop gespielt, in Harolds Beckers Krimi „Sea of Love“. Kaputt, tief melancholisch, illusionsfrei. So ist auch der Mafioso Lefty. Einer, den man sich merkt, egal, in welcher Geschichte er spielt. INGE RAUH

Zur offiziellen Homepage von Donnie Brasco (engl.)

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