Liebe
als Revolution Der Film Fire: Emanzipation in Indien |
Eine Dachterrasse in Neu-Delhi, Straßenlärm
dringt von untern herauf, Neonreklamen in allen Farben
geben ein kaltes Licht. Mitten in dieser
Großstadtszenerie stehen zwei Frauen, in wallende Saris
gehüllt, und bringen am Fastentag ein Opfer für ihre
Männer dar. Denn nur, wenn die Ehefrau streng fastet und
auch nichts trinkt, lebt der Mann lang. Regisseurin Deepa Mehta hat in diese Szene ihres Films Fire den ganzen Widerspruch gepackt, der ihre Heimat Indien prägt zumindest die weibliche Hälfte. Die Frauen sollen sich an Traditionen halten und dem Familienoberhaupt buchstäblich die Füße küssen, während die Männer in T-Shirts und Jeans den Verlockungen des Westens in Form vom Pornovideos nachgeben oder im Befehlston ihr Essen fordern. Das klingt ein bißchen nach Schwarz-Weiß-Malerei und das ist Fire auch, trotz aller 1001-Nacht-Farbfeuerwerke. Die Geschichte setzt sich für die Emanzipation der Frau im modernen Indien ein, aber als Plot bleibt sie auf halber Strecke in den Gefühlsverstrickungen und alltagsweisen Dialogen hängen. Dennoch: die Regisseurin hat Mut bewiesen. In einem Land, das Homosexualität im Extremfall mit lebenslanger Haft ahndet, drehte sie eine Film über die Liebe zwischen zwei Frauen. Sita kommt als frischgebackene Ehefrau von Jatin nach Neu-Delhi. Dort wird sie in die Familie ihres Mannes aufgenommen. Dessen Bruder Ashok ist tiefreligiös und verbringt die meiste Zeit bei seinem Guru, seine Frau Radha kümmert sich um die alte, stumme Schwiegermutter. Zusammen haben sie ein Schnellrestaurant, in dem die Rollenverteilung hervorragend funktioniert: Radha kocht, Ashok kassiert. Daneben betreibt Jatin einen Videoverleih und vergnügt sich ansonsten mit seiner chinesischen Geliebten. Sita und Radha sitzen im gleichen Boot. Der Schritt zu den ersten Zärtlichkeiten, die sie von ihren Männern nicht bekommen, ist nicht mehr weit. Die Leere in ihnen wird endlich ausgefüllt, ihre heimliche Liebe macht die Frauen mutig. Allerdings stellt der Film auch klar, daß sie eigentlich nur das ersetzen, was die Männer ihnen nicht geben wollen. Wirklich lesbisch sind wohl beide nicht, vielmehr lieben sie sich aus Trotz gegen die Männer und proben so die Revolution. Doch diesen Makel kann man gelten lassen angesichts des Wagemuts der Regisseurin, die Selbstbestimmung für die Frauen fordert mit welchen Konsequenzen, bleibt der einzelnen überlassen. (Meisengeige, Nürnberg). erl |
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