Das Glück ist anderswo
“Happy together“, der neue Film von Wong Kar-Wai

„Happy together“: Natürlich ist der Titel ironisch und bezeichnet einen Zustand, von dem alle nur träumen können, auch wir! Glücklich vereint waren noch keine zwei Menschen im Kino des Wong Kar-Wai, und das ist auch hier nicht anders. Hongkong, wir erinnern uns, war kein guter Ort für Gefühle. In „Chungking Express“ und „Fallen Angels“ hat es der Regisseur vorgeführt, an Killern und kalten Frauen, an einsam schmachtenden Polizisten und leicht verrückten Klabautermädchen: Entfremdung an allen Ecken und Enden, vergebliche Liebe, Ersatzbefriedigungen. Mehr noch als Ananas in Dosen, so schien es, hatte auch jede menschliche Regung ihr Verfalldatum. Beziehungen, wenn man sie überhaupt noch so nennen konnte, waren von vornherein zum Scheitern verurteilt.

„Um es noch einmal zu versuchen“, heißt es am Anfang, „haben wir Hongkong verlassen – und sind bis Argentinien gekommen.“ Das ist fast auf der anderen Seite der Erdkugel, und wenn der Film an Hongkong zurückdenkt, dann stehen die Hochhäuser dort folglich auf dem Kopf. Aber die Verhältnisse, ja die Verhältnisse sind halt doch die gleichen, egal wo man ist. Im Bett, wie man sieht, kommen sie noch miteinander zurecht – auf der Straße jedoch, unterwegs in einem klapprigen Altwagen, fangen die beiden Männer bereits das Streiten an. Der eine muß schieben, der andere sich verantwor ten. Was als Neuanfang gedacht war, ist doch nur ein weiteres Ende geworden. In der leeren Landschaft stehen zwei, die sich einmal geliebt haben: verloren im schwarz-weißen Verzweiflungspanorama. Es führt nichts daran vorbei. Sie werden sich trennen.

Und werden wieder zusammenkommen. Und werden sich wieder trennen. So ist das in „Happy together“. So ist das im richtigen Leben. Wong Kar-Wai hat eine Männerliebe in all ihre hellen Momente und traurigen, kleinen Manöver zerlegt. Tony Leung (aus „Cyclo“) und Lesley Cheung (aus „Lebewohl meine Konkubine“) spielen sie mustergültig durch: das ewige Mißtrauen, die dumme Eifersucht, die falschen Bewegungen und hilflosen Aggressionen, die Fluchten und Rückzüge, die unerfüllten Sehnsüchte und manchmal auch die erfüllten. Dann tanzen die beiden Tango, und der Film wird plötzlich langsamer, als könne er den Lauf der Zeit aufhalten und das Glück fest.

Aber die Uhren laufen weiter, auch in Buenos Aires, und die Vergänglichkeit ist nicht nur ein Schmerz, sondern auch ein Rausch. Christopher Doyles trunkene Kamera kostet ihn in jedem Bild aus: mit nervöser Melancholie, dunkel romantisch, doch völlig unsentimental. Wie im Traum schwebt sie über den Wasserfall, an den das Paar fahren wollte. In Wirklichkeit wird man nur naß. lupus

 

Auch am anderen Ende der Welt gibt es für ihre Liebe keine Zukunft: Lai und Ho sind aus Hongkong nach Argentinien aufgebrochen, abenteuerlustig, offen für alles Neue. Die kitschige Tischlampe mit dem Iguaçu-Wasserfall auf dem Schirm leuchtet wie ein Symbol ihrer großen Sehnsucht. Tatsächlich aber ist die Beziehung der beiden jungen Männer von Anfang an gescheitert.

„Happy Together“, der fröhliche Turtles-Song aus dem Jahre 1967, liefert den ironischen Titel zu einer wilden und düsteren Liebesgeschichte der neunziger Jahre. Der Hongkong-Chinese Wong Kar-Wai, der seit „Chunking Express“ und „Fallen Angels“ als eines der innovativsten Regie-Talente gefeiert wird, erhielt dafür dieses Jahr bei den Filmfestspielen in Cannes den Preis für die beste Regie.

Bemerkenswert ist „Happy Together“ denn auch nicht wegen der reichlich banalen Story von Liebe, Sex und Einsamkeit in den großen Städten, sondern wegen seiner visuellen Umsetzung. Godard läßt grüßen! Kameramann Christopher Doyle arbeitet an Originalschauplätzen mit Zeitraffer, Handkamera, Weitwinkel, Schwarzweiß- und Farbfilm und erreicht damit ungewöhnliche Bildeffekte, die sich mit der Zeit freilich abnutzen. Konsequent erscheint dabei die Methode von Wong Kar-Wai, der mit einem vagen Skript zu drehen beginnt und die eigentliche Arbeit am Schneidetisch erledigt.

Die nervös pulsierenden Schmuddelbilder vom nächtlichen Buenos Aires erzeugen Tristesse, die mit dem postmodernen Soundtrack (Piazzolla, Zappa, Turtles) kontrastiert. Distanz schafft Lais Kommentar aus dem Off, der über die gescheiterte Beziehung reflektiert.

Irgendwas ist schiefgelaufen, die beiden Freunde Lai (Tony Leung) und Ho (Leslie Cheung) haben sich getrennt. Lai schlägt sich als Türsteher einer Tango-Bar durch, während Ho sein Geld als Stricher verdient. Ihre verletzten, widersprüchlichen Gefühle explodieren, als eines Tages der treulose Ho bei seinem früheren Partner Lai, der nichts mehr von ihm wissen will, wegen einer Verletzung Zuflucht sucht. Die trostlosen Bilder drücken aus, was die beiden nicht in Worte fassen können.

Ein Happy-End ist in dieser schwulen Love-Story nicht vorgesehen: Lai findet nur vorübergehend einen neuen Freund (Chanh Chen), während Ho in der Gosse landet. Gegen Liebeskummer ist kein Kraut gewachsen, wohl aber gegen Heimweh. Am Ende, bei der Rückkehr, sieht man Lai im Gewusel chinesischer Garküchen sogar einmal lächeln. Steffen Radlmaier

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