Sinnlichkeit in Seide |
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Kritik aus der Manches im Kamasutra, dem indischen Lehrbuchklassiker über die Liebe, mag unserer leidlich aufgeklärten Gesellschaft heute nur mäßig aufregend, anderes sogar amüsant erscheinen; bemerkenswert bleiben in jedem Fall die Angebote praktischer Lebenshilfe (wie ein Liebhaber mit Hilfe einer fremden Ehefrau deren Gatten töten und sich dessen Vermögen aneignen kann, erörtert etwa Kapitel 1) sowie die Schilderungen über den (angeblich lustfördernden) Einsatz von Elefantenohren und frischer Büffelkuhbutter (Kapitel 7; wir empfehlen zur ausführlichen Lektüre: Mallanaga Vatsyanana: Das Kamasutra, dtv, 230 S., 14,80 Mark). Freilich mag einiges mehr (männlichem) Wunschdenken entsprungen sein, denn gewissenhafter Beobachtung; wie diese Schrift überhaupt noch um einiges erfreulicher wäre, wenn sie den Frauen den gleichen sinnenfrohen Spielraum zugestehen würde wie den Männern; aber das ist ja selbst rund 2000 Jahre später noch ein Problem. Sexualität und Macht Als Regisseurin hat sich Mira Nair (die 1989 mit Salaam Bombay, dem einfühlsamen Porträt eines indischen Straßenjungen, ihr Debüt gab) darin keineswegs an der Vorlage orientiert. Während sich das ursprüngliche Handbuch an den gebildeten Herrn richtete, ist in ihrem Kama Sutra die Protagonistin eine Frau, die der eigenen Sexualität nachspürt. Ähnlich wie jüngst Susan Streitfeld in ihrer Verfilmung von Louise Kaplans wissenschaftlicher Studie über Weibliche Perversionen, verwandelt auch Mira Nair die sachlich gehaltenen Anweisungen von der theoretischen Abstraktion in eine fast profane Geschichte. Doch wo Female Perversions kühn Konventionen infragestellte, als verdrängende Mechanismen entlarvte und dafür eine äußerst kunstvolle Form der Umsetzung fand, weiß Mira Nair keine neuen Erkenntnisse über Liebe und Leidenschaft mitzuteilen. Nur zu Beginn etwa kennzeichnet sie Sex als mißbrauchtes Mittel, um Macht zu erzeugen. Die Mädchen Tara und Maya sind enge Freundinnen, nur Tara aber, die Prinzessin, wird in die Geheimnisse des Kamasutras eingeweiht. Doch sinnliche Ausstrahlung kümmert sich nicht um Standesunterschiede: Als Tara (Sarita Choudhury) Jahre später mit dem König Raj Singh (Naveen Andrews) vermählt wird, fällt dessen Blick auf die schöne Dienerin Maya (Indira Varma), die ihn noch in der gleichen Nacht verführt und dann des Palastes verwiesen wird. In Jai (Ramon Tikaram), dem Bildhauer, findet sie ihre große Liebe; sie steht ihm Modell und kehrt, als der König in einer Skluptur ihr Gesicht wiedererkennt, auf dessen Befehl an den Hof zurück als Chefkurtisane seines Harems. Tara, der König, Maya und Jai das Quartett als beliebte Formation amouröser Verwicklungen zwischen Lust und Liebe, Verlangen und Verrat, Rivalität und Rache, zwischen falscher Hingabe und echten Gefühlen. Die Exotik des Hintergrunds Indien im 16.Jahrhundert ist der Erotik zweifellos förderlich. Überall schimmert es golden und rot, die Gewänder glänzen, verschwenderische Stoff-Fülle weht durch die Räume und bedeckt die Lager, auf denen sich zu betörend fremden Musikklängen geschmeidige Körper finden; alles ist optisch ansprechend angerichtet, aber ästhetisch bleibt es vielleicht ein bißchen zu artig. Tamara Dotterweich |
Kritik aus den Wunderschöne Menschen, opulente Farben, grandiose Bilder für die Betörung der Sinne ist gesorgt in Kama Sutra, dem neuen Film von Mira Nair. Aber die indische Regisseurin (Salaam Bombay) will alles andere, als sexuelle Artistik in Szene setzen, mit der die meisten das Buch aus dem vierten Jahrhundert verbinden. Sex ist in dem Film nur eines von vielen Mitteln, um Liebe und Macht auszudrücken. Ein nicht gerade neues Thema. Mira Nair hat die Handlung im 16. Jahrhundert in Indien angesiedelt, wo Standesunterschiede und die gesellschaftlich festgelegte Rolle von Mann und Frau Konflikte vorprogrammieren. Tara (Sarita Choudhury), die Prinzessin, ist zwar reich, kann aber ihre körperlichen Reize nicht geschickt genug einsetzen, um Männer zu bezirzen. Ihre Dienerin Maya (Indira Varma) dagegen hat nicht Geld, sondern die Begabung geerbt, ihre Umgebung durch Charme und Sinnlichkeit zu betören. Die eine heiratet standesgemäß einen König, die andere geht aus Rache an ihrer Herrin in der Hochzeitsnacht mit ihm ins Bett. Leidenschaft ist der Schlüssel zu unserer Existenz, sagt die erfahrene Kurtisane Rasa, bei der Maya nach ihrer Vertreibung aus dem Palast in die Liebesschule geht. Eigentlich braucht die Schönheit diesen Unterricht nicht. Daß sie den sanften Augenaufschlag und überschwengliche Zärtlichkeit beherrscht, beweist sie schon, als sie sich in den Bildhauer Jai verliebt. Aber der Lehrsatz der Kurtisane ist ganz praktisch, um einen einflußreichen Posten zu bekommen: Maya wird vom König als Chefkurtisane angestellt und verdreht ihm vollends den Kopf. Die Geschichte könnte aus 1001 Nacht stammen, Bilder von brauner Haut und bunter Seide tun ein übriges, um daraus ein Märchen zu machen. Die vier Hauptpersonen sind wie im Märchen eindimensional. Der König ist ein Lustmolch, wie er im Buche steht und nimmt nur dann die Hände von einem Frauenkörper, wenn er zur Opiumpfeife greift. Seine Gattin windet sich in sexuellen Entzugserscheinungen. Maya beherrscht mit ihrer Sinnlichkeit den König. Sie und Jai sind dagegen das Sinnbild der vollkommenen Liebe kitschig in Szene gesetzt. Am Ende klappt man das Märchenbuch zu mit dem schalen Gefühl, nur die x-te Variation über Liebe, Lust und Leidenschaft gesehen zu haben. Aber wenigstens in schönen Bildern. Katharina Erlenwein
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