Kritik aus der

Leon Gasts
Dokumentarfilm
'When we were Kings'

Mehr als
ein Champion

Am 30.Oktober 1974 ruhen alle Augen der Welt auf Zaire, wo sich die Boxerlegenden Muhammad Ali und George Foreman im Ring gegenüberstehen. 1967 sollte Ali zu den in Vietnam kämpfenden US-Truppen eingezogen werden. Der damalige Schwergewichts-Champion verweigerte den Dienst, bekam Berufsverbot und mußte die Boxkrone abgeben. Ali war zum Islam konvertiert und hatte sich zum Sprachrohr der afro-amerikanischen Bewegung in den Vereinigten Staaten gemacht.

Als er 1974 auf dem Höhepunkt von Watergate- und Vietnam-Krise die Chance bekam, sich den Titel zurückzuholen, war das nicht nur ein sportliches Großereignis, sondern vor allem die Gelegenheit zur Demonstration schwarzen Selbstbewußtseins. Der schillernde und boxerisch brilliante Fighter kämpfte und siegte überraschend gegen den patriotischen „weißen“ Schwarzen George Foreman, der sich vier Tage vor dem Kampf verletzte und damit für eine sechswöchige Verschiebung des „Rumble in the Jungle“ sorgte.

In diesen sechs Wochen entstand Gasts Dokumentation über den Kampf des Jahrhunderts “When we were Kings“, die nun nach 23 Jahren endlich fertiggestellt werden konnte. Bereits in den ersten Einstellungen aber ahnt man die politische Absicht des Ali-Portraits, Gasts Versuch, den Traum der 70er Jahre von der Einheit von Politik, Ästhetik und Sport einzufangen. Von allem erzählt der Film etwas.

Gast montiert Orginalmaterial (Ali mit Zaires Ex-Diktator Mubuto, Ali auf Pressekonferenzen und mit seinen schwarzen Brüdern) und Interviews mit Zeitzeugen. Leider bleibt die Dokumentation mit ihrem hartgeschnittenen Feature an der Oberfläche und tendiert deshalb leicht zur Langeweile. Vom Kampf der Boxgiganten sieht man gar nur ein paar flirrende Bilder. rou

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Er ist wie ein schlafender Elefant gewesen, sagen seine Bewunderer. Man konnte um ihn herum alles machen, aber wenn er aufwachte . . . Nein, da wurde kein Mensch zum Tier: aber der Mann „legte dem Blitz Handschellen an“ und „bändigte den Donner“. Er tänzelte mit ungemein geschmeidigen Schritten in den Wahnsinnskampf, er schlug zu, aber dahinter steckten nicht nur Kraft oder Zerstörungswille. Da war ein innerer Auftrag. Er boxte für sein Volk und er sah sich selber als Werkzeug Gottes.

Am 30. Oktober 1974 taumelte im Stadion von Kinshasa in Zaïre George Foreman auf den Boden. Der Schwergewichtsweltmeister im Boxen war plötzlich, nach einigen jener berüchtigten Rechten, hinüber. Sein Gegner über ihm zog noch einmal auf, aber er stockte: „Muhammad Ali wollte die Ästhetik des Niedergangs nicht durch einen plumpen Schlag stören“, sagte ein Reporter.

In dem Dokumentarfilm „When we were Kings“, für den Leon Gast gerade einen Oscar erhalten hat, kommt der legendäre Boxkampf nur am Rande vor. Aber diese eine Szene und der Kommentar drücken alles über den Mann aus, der längst – und nicht allein als Sportler – zum Mythos geworden ist: selten hatte ein schwarzer Star die gerechte Sache seiner Brüder und Schwestern so vehement und lautstark, so publikumswirksam vertreten. Und kaum zuvor hatte ein farbiger Amerikaner so stolz an die Wurzeln erinnert: „Wir haben Afrika in Ketten verlassen und kehren als Champions zurück.“

Gast wollte 1974 eigentlich einen Film über das Musik-Festival drehen, das mit schwarzen Show-Größen wie James Brown, B. B. King oder Miriam Makeba parallel zum Boxkampf geplant war. Als sich Foreman beim Training verletzte, mußte das Sportereignis um sechs Wochen verschoben werden: Künstler, Sportler und Journalisten durften das Land nicht verlassen. Schließlich sah Diktator Mobutu, der „verkappte Sadist“, wie Norman Mailer ihn nennt, die große PR-Show für sein Land. Die aber stahl dem Mann mit der Pelzmütze, der vor dem Kampf noch schnell einige Oppositionelle umbringen ließ, der große Muhammad Ali: einmal mit seinen Tiraden gegen Foreman, aber mehr noch durch seine offensichtliche Verbrüderung mit den Afrikanern.

Ali wollte sportlich wieder nach oben, und das verband er mit einem politischen Feldzug, der von vielen Weißen verlegen belächelt wurde. Der Boxer hatte in Amerika alle Titel verloren und war verurteilt worden – wegen Wehrdienstverweigerung: gegen Vietcongs wollte er nicht in den Krieg ziehen, schließlich hätten die noch nie „Nigger“ zu ihm gesagt. Jetzt in Afrika jubelten ihm Frauen, Männer und Kinder auf der Straße wegen dieser Haltung zu. Sicher, auch Foreman war ein Schwarzer: für Ali aber eben nur ein „Amerikaner“, der zudem noch mit einem deutschen Schäferhund nach Kinshasa reiste. Das „Ali, bomaye!“ („Ali, töte ihn!“) wurde für einige Wochen zum Schlachtruf eines ganzen Volkes.

Leon Gast vermittelt etwas von der explosiven Stimmung damals, die nicht nur im Ring herrschte. Die Interviews, Konzert- und Kampfaufnahmen mischen sich zu einem Dokument, das ganz subjektiv die Hommage an einen außergewöhnlichen Menschen sein will, der heute noch, gezeichnet von einer unheilbaren Krankheit, über ein wunderbares Charisma verfügt: er war „gut und schön“. Und Spike Lee fügt hinzu: „Er ist ein Held für uns.“ Bernd Noack

Zur offizielle Homepage von "When we were Kings" (engl.)

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