Am achten Tag
Ein Behinderter soll zum besseren Leben bekehren

"Toto, der Held" - ist unvergessen. Gleich mit seinem ersten Spielfilm war Jaco Van Dormael ein kleines Wunder gelungen: eine irrlichternde Komödie über das Glück, das immer nur die andern haben, über die Liebe, die ungelebt bleibt, über den Tod, der die Seele endlich vom Körper löst und also, wie nichts zuvor, Grund gibt, einmal herzhaft zu lachen. Zwischen Traum und Wirklichkeit gab es keine Grenzen mehr, und dort wo die Not am größten schien, spendete ein alter Schlager schnellen Trost, flackerte eine kunterbunte Kindheitserinnerung mit kitschiger Wärme kurz und lustig auf. Das europäische Kino (und einiges mehr) war für zwei Stunden gerettet.

Jetzt, nach fünf Jahren, hat der belgische Regisseur wieder einen Film gedreht: "Am achten Tag". Aber wie es mit Wundern nun einmal so ist - sie lassen sich nicht wiederholen. Auch wenn man sich, wie Jaco Van Dormael, noch so verzweifelt darum bemüht. Dem Rausch folgt die Ernüchterung, der Zauber wirkt wie ein Versatzstück, der naive Blick auf die Welt hat sich sentimental verschaut. Jaco Van Dormael ist spielerisch geblieben (und mit einem plötzlichen "Puff!" verwandelt er eine Maus in einen mexikanischen Schnulzensänger), aber alle Spielerei ist nur mehr Beiwerk einer bieder erbaulichen Geschichte.

Das Gras, sagt Georges (Pascal Duquenne, auf dem Foto links), schreit, wenn es geschnitten wird. Deshalb muß man es, sagt Georges, danach streicheln und trösten. Georges liebt das Gras. Er liebt auch die Sonne und den Wind, das Wasser und die Wolken: alles, was Gott in den sieben Tagen der Schöpfung geschaffen hat. Aber am achten Tag, als alles schon fertig war, auch das Fernsehen und die Schallplatten, schuf Gott noch Georges - und er sah, sagt Georges, daß es gut war. Georges ist mongoloid.

Und der Held dieses Films. Mit kühnem Bewegungseifer fährt die Kamera vom Himmel zur Erde, von hoch über den Wolken bis tief auf den gewitternassen Boden, während Georges im Vorspann seine etwas eigenwillige Genesis erzählt. Doch trotz der unbestreitbaren technischen Brillanz stellt sich umgehend Unbehagen ein - man merkt, daß der Regisseur, wenn auch mit schrägem Akzent, zu predigen beginnt. Wir sollen zu besseren Menschen werden - so wie Harry (Daniel Auteuil, Foto rechts)!

Harry, der Krawattenmensch und karrierebewußte Verkaufsberater. Kalt und blau wartet jeden Morgen sein Arbeitsplatz im Büroturm. Karosse an Karosse stehen die Manager im täglichen Stau. Harry mittendrin, einer von vielen. Für die Familie bleibt da keine Zeit, so hat ihn die Frau mit den Kindern bereits verlassen. Da trifft Harry Georges - und wird von dem aus seinem Heim geflohenen Behinderten, der sich partout nicht abschütteln läßt, zurück auf den rechten Weg gebracht. Neuvereint sitzt die Familie zum Schluß im Grünen und lacht.

Und Georges? Das liebe Monster (wie einst E. T.), halb Clown, halb Christus, hat seine Mission erfüllt: Jaco Van Dormael läßt ihn Selbstmord begehen. Er war eh nicht von dieser Welt - und keiner braucht sich um ihn zu kümmern. Das rührt und hinterläßt doch einen bitteren Nachgeschmack: eine Art ästhetischer Euthanasie bewahrt den pflegeleichten Unterhaltungsmythos, der hier wieder einmal vorgegaukelt wird.   lupus

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