Homosexualität in Hollywood: "The Celluloid Closet"
Mit dem anderen Blick

Kritik aus der

Was hat es zu bedeuten, wenn Marlene Dietrich als Nachtclub-Sängerin Amy Jolly in „Marocco“ mit einer Frau aus dem Publikum flirtet? Wenn Greta Garbo als Königin Christine ihre Zofe auf den Mund küßt? Wenn Ollie einen Vorwurf seiner Frau zitiert, wonach er selten an sie, aber praktisch pausenlos an Stan denke und der in aller Seelenruhe „Stimmt doch“ sagt? Wenn in „Red River“ zwei Cowboys auffallend ausführlich den Revolver des jeweils anderen bewundern?

Eine ganze Menge, wie Rob Epstein und Jeffrey Friedman in ihrer Dokumentation „The Celluloid Closet“ zeigen, in der die beiden Filmemacher dem Umgang Hollywoods mit Homosexualität im Lauf von 100 Jahren Kinogeschichte nachgehen. Recherchiert haben sie offenbar gründlich: ein Filmausschnitt, in dem zwei Männer vor einem Grammophontrichter miteinander tanzen, stammt bereits aus dem Jahr 1895.

Mit einer Vielzahl von Filmszenen belegen Epstein und Friedman, wie sich das Bild der Homosexuellen wandelte – von einer anfänglich erstaunlichen Liberalität zur restriktiven Gegenbewegung mit strenger Zensur in den 30ern und beharrlicher Verdrängung in den Jahrzehnten danach. Wenn Homosexuelle überhaupt auf tauchten, dann um abwechselnd Spott, Mitleid oder Furcht zu erregen. Zur kollektiven Publikumsberuhigung war noch in den 50er und 60er Jahren ihr Tod zum Filmende unvermeidlich, wie Ausschnitte aus „Denn sie wissen nicht, was sie tun“, oder „Infam“ belegen. Bis das Thema nicht nur in Andeutungen behandelt wurde, verging noch viel Zeit. Merkwürdig für ein Medium, das doch gern behauptet, die menschlichen Sehnsüchte zu stillen.

Interviews mit Drehbuchautoren, Regisseuren und Schauspielern (darunter Gore Vidal, Tom Hanks, Tony Curtis oder Whoopi Goldberg) vertiefen und verknüpfen die Spurensuche, die nicht nur aufschlußreich ist, sondern immer wieder auch äußerst amüsant. Etwa wenn Gore Vidal erzählt, wie er 1959 in „Ben Hur“ den schwulen Subtext schmuggelte oder wenn Susan Sarandon von den Dreharbeiten zu „Hunger“ (1983) erzählt, ein Film, in dem sie von Catherine Deneuve verführt wurde: „Wenn es nach dem Regisseur gegangen wäre, hätte ich in dieser Szene betrunken sein sollen. Aber das wollte ich auf keinen Fall. Man muß nicht betrunken sein, um mit Catherine Deneuve schlafen zu wollen, ganz gleich, welche sexuelle Orientierung man vorher hatte.“ (FILMHAUSKINO im CineCittà) ta

  Kritik aus den

Stan und Olly schwul? Thelma und Louise tatsächlich Lesbierinnen? Wer hätte an sowas gedacht, schon gar nicht bei all den legendären Streifen von „Ben Hur“ bis „Johnny Guitar“. Natürlich, Marlene Dietrich im Frack und Zylinder hat diese kühle, androgyne Erotik, der sich kein Geschlecht entziehen kann. Doch genannt wird das Thema Homosexualität nicht, höchstens versteckt.

In „Celluloid Closet“ haben Jeffrey Friedman und Rob Epstein zwischen den Zeilen gelesen und die verschlüsselten Andeutungen und platten Klischees, mit denen Hollywood den Schwulen begegnet ist, hervorgeholt. Witzig und interessant zugleich ist dieser Dokumentarfilm über ein amerikanisches Tabu, das sich immer wieder hinter verschiedenen Masken versteckt hat.

Bei den Interviews mit Drehbuchautoren und Regisseuren, Schauspielern und Studioleitern kommen amüsante Details zutage: Wer ahnt schon, daß Masala und Ben Hur, die beiden martialischen Helden, eigentlich ein schwules Pärchen werden sollten? Charlton Heston ahnte davon selbst nichts. Nur sein Partner Stephen Boyd, der den Masala mimte, war eingeweiht. Aus der rührseligen Freundschaftsszene wird unter diesem Blickwinkel knisternde Erotik.

Solche Mimikri war notwendig im prüden Amerika. Radikale Zensur, Anfeindungen und die Scheu von Schauspielern, endgültig in eine schwule Ecke gestellt zu werden, machte bis in die siebziger Jahre offenherzige Homosexuellenfilme unmöglich. Trotzdem gab es schon in Stummfilmzeiten Schwule im Kino: als „Sissys“, blasse Jünglinge mit gespitztem Mund unterm Menjoubärtchen. „Celluloid Closet“ nennt sie alle und läßt ungeniertere Hollywoodvertreter von Gore Vidal bis Susan Sarandon zu Wort kommen – nicht verbissen, sondern amüsant. erl

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