Beckers Film
„Das Leben ist
eine Baustelle“

Hoffen und Bangen

Kritik aus der

Wenn der Ärger kommt, dann gleich knüppeldick: Jan (Jürgen Vogel) gerät in eine Straßenschlacht, verliert den Job, überwirft sich mit der Schwester und findet den Vater tot in der Küche. Das alles binnen zweier Tage. Außerdem ist der Bettgenosse einer Bettgenossin an Aids erkrankt.

Aber gerade dann, wenn der Boden unter den Füßen zu entgleiten droht, öffnet sich für einen Moment der Himmel. Jan lernt Vera (Christiane Paul) kennen und lieben. Platz ist genug da, Kollege Buddy (Ricky Tomlinson) verschafft Arbeit und Optimismus. Aber warum entzieht sich Vera immer wieder? Wo wohnt sie, was treibt sie und warum wankt ständig ihr Gemüt?

„Das Leben ist eine Baustelle“ nennt Regisseur Wolfgang Becker seine Tragikomödie; wie es dort zugeht, weiß Buddy ganz genau: „Die Menschen warten darauf, daß das Leben beginnt, dabei geht es bloß immer weiter“. Nicht nur in Berlin und in der heruntergekommenen Wohnung, auch im Leben aller Beteiligten wird ständig improvisiert, ausgebessert und abgedichtet; die Suche nach dem Bauplan indes bleibt vergebens.

Dafür gleicht das Gerüst dieses Films einer Achterbahn: In ständiger Berg- und Tal-Fahrt wechseln Bilder des Glücks mit Szenen tiefster Melancholie, folgt auf den Looping der Liebesnacht der Absturz in die Einsamkeit, durchdringen und verweben in Parallelmontagen sich Hoffnung und Leid zu einem unauflöslichen Geflecht und lösen in Bauch und Herz des Betrachters Turbulenzen aus.

Neben der furiosen Dramaturgie besticht Wolfgang Beckers Film durch kleine, trefflich beobachtete Einblicke in den Alltagswahnsinn: Da tun sich Kinder spielerisch Gewalt an, identifizieren biedere Papis Brutalfilme anhand gräßlicher Geräuschfetzen und Todesröcheln, spielen Lebensgefährten Krieg und Frieden in der Küche.

Und wie sieht das fertige Domizil aus? Manch einer richtet sich im Altbau seiner Jugendträume ein, andere gleiten auf Durchreise von Hotel zu Hotel, wieder andere leben auf der Straße – und die letzte Bleibe stellt keine Ansprüche: vier Bretter und zwei Brettchen. Reika

  Kritik aus den

Alles wird gut. Irgendwie. Besonders für junge Männer wie Jan Nebel (Jürgen Vogel), dem sein Erfinder Wolfgang Becker in bester deutscher Literaturtradition eine extra lange Leitung und einen „sprechenden“ Namen verpaßt hat. Ein etwas altmodischer, aber bewährter Trick, um ein paar Probleme des Lebens abzuhandeln, ohne allzu realistisch werden zu müssen.

„Das Leben ist eine Baustelle“ philosophiert Regisseur Becker im Titel – und auf der kriegt sein tumber Tor Jan Nebel zunächst mal gar nichts auf die Reihe: die vorübergehende Bleibe bei der Schwester ist selbst für ein so sprachlos sanftes Geschöpf wie Vogel/Nebel schwer erträglich. Eine Berliner Prolo-Bohème, wo Mutti Verkaufsveranstaltungen für Dessous veranstaltet, und der Freund mit nacktem Hintern Bouletten brät.

Dann geht auch noch der Job als Ausbeiner im Schlachthof verschütt, weil Nebel in eine der traditionellen Kreuzberger Plünder-Demos hineinstolpert und die falschen haut. Und dann, als hiobreifer Donnerschlag sozusagen, erfährt er von seiner Schlachthof-Liebelei, daß er sich möglicherweise mit Aids angesteckt hat.

Bißchen viel für einen netten Kerl, von dem man so wenig erfährt, daß man gar nicht wüßte, was den jetzt endgültig umhauen könnte. Der tote Vater, den er für eine Verabredung am Küchentisch steif werden läßt, tut seine Wirkung jedenfalls erst mit Verspätung.

Aber da ist halt auch längst Vera (Christiane Paul), die geheimnisvolle Lebenskünstlerin in sein Dasein getreten und tut das, was üblicherweise Feen mit solchen Unschuldslämmern anstellen. Und Buddy (Tom Tykwer), der Alt-Rocker sorgt dafür, daß alle miteinander hübsch die Bodenhaftung behalten.

Wolfgang Becker bemüht sich ausdauernd (geschlagene einhundertundsechzehn Minuten lang), das Lebensgefühl seines Underdogs zu illustrieren. Dabei gelingen ihm ein paar durchaus komische, wenn nicht exemplarische Szenen alltäglichen Unheils, aber richtig lebendig wird dieser Jan Nebel nirgends. Anstatt sich – wie wohl geplant – als optimistischer, charmanter Underdog nach englischen oder irischen Kino-Vorbildern wieder hochzurappeln, entgleitet Jan Nebel zusammen mit Vera in die Schnulze.

Bei einer Koproduktion wie dieser liegt der Verdacht nahe, daß die bittersüße Langatmigkeit der letzten vierzig Minuten speziell für die TV-Verwertung hingemurkst wurde. Das ist neuerdings allgemein üblich und ausgesprochen dämlich. -wu-

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