Tiefe Griffe in den Schmalztopf
"Die
Jury" verschenkt das brisante
Potential des Grisham-Romans Der junge
Anwalt Jake Brigance (Matthew McConaughey hier im Bild
mit Sandra Bullock) ist im wahrsten Sinn des Wortes
abgebrannt. Sein Prozeß ist so gut wie verloren; der
Ku-Klux-Klan hat sein Haus niedergebrannt; seine Ehe
steht kurz vor dem Aus; die Sekretärin zeigt ihm die
kalte Schulter, die Assistentin liegt im Spital und der
letzte Freund, sein treuer Hund, hielt sich im
abgefackelten Haus auf. Aufgeben? "Niemals!"
schwört Jake, bis zum bitteren Ende will er kämpfen.
Und zur Belohnung kläfft es aus den Büschen. Der liebe
Wauwau hat doch überlebt - das ändert alles! Ein tiefer
Griff in den Schmalztopf, der so zwar nicht in John
Grishams Roman "Die Jury" steht, sich aber
nahtlos in die sülzige Inszenierung einfügt.
Dabei
ist die Ausgangssituation bitterernst: zwei weiße
Kriminelle vergewaltigen ein zehnjähriges schwarzes
Mädchen und schlagen es halbtot. Sein Vater (im Bild:
Samuel Jackson) zweifelt an der Rechtsprechung des
Staates Mississippi und erschießt die Verbrecher. Nun
ist er des Mordes angeklagt. Die Alternative lautet
Freispruch oder Todesstrafe. Doch nicht der schwarze
Delinquent, sondern sein weißer Anwalt steht im
Mittelpunkt und zwischen allen Fronten. Bedroht vom
Ku-Klux-Klan, bedrängt von Menschenrechtlern, getrieben
vom Ehrgeiz und gequält vom schlechten Gewissen, gerät
Jake immer tiefer ins Dilemma. Zwischen allen Fronten
steht auch Regisseur Joel Schumacher. Nur richtet der
sich bequem ein zwischen der harten Thematik und ihrer
wohlgefälligen, aufs Gemüt zielenden Aufbereitung. Bald
wird der Fall von erotischen Techtelmechteln verdrängt.
Jakes Frau (Ashley Judd - warum bloß assoziiere ich bei
ihrem Anblick Vanillepudding?) tritt ab, an ihre Stelle
rückt Assistentin Ellen (Sandra Bullock -
Karamelpudding).
Mehr Interesse erregen die beiden Sutherlands. Vater
Donald spielt einen ergrauten Anwalt der guten Sache,
Sohn Kiefer einen brutalen Rassisten. Würden sie sich
begegnen, müßten die Fetzen fliegen. Aber dazu kommt es
nicht - so verschenkt man sein Potential. "Die
Jury" ist nur ein wortlastiges, schwerfälliges
Gerichtsdrama und wäre nicht weiter bemerkenswert -
wäre da nicht der perfide Schluß: Denn der rhetorische
Trick, der in Film und Roman die Geschworenen umstimmt,
decouvriert nicht den Rassismus, sondern bestätigt ihn
durch die Hintertür. Und die Todesstrafe? Heißt
neuerdings Faustrecht. Reika
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