Und ewig singt die Geisha
Daniel Schmids Film "Das geschriebene Gesicht"

Leise rieselt der Schnee, auch wenn der Schnee im Theater nur aus Papier ist. Im weißen Kimono windet sich eine Frau vor Einsamkeit, ihr Geliebter hat sie verlassen. Am Rande der Bühne sitzen die Musiker und trommeln und flöten und singen. Doch das große Gefühl hat seine festen Gesten. Streng bedeutsam werden Finger gespreizt und Fächer gewedelt. Die Frau muß sterben, aber kunstvoll. Dann verwandelt sie sich - so will es das Stück aus dem 18. Jahrhundert (oder die ewige Wiederkehr) - in einen Fischreiher.

Im Theater, gerade dem japanischen Kabuki-Theater, ist vieles möglich, und die Frau ist eigentlich ein Mann. Was nicht heißen soll, daß jede Form von Travestie auch komisch sein muß. Ehrfürchtig zeigt Daniel Schmids Film, wie der Schauspieler Tamasaburo Bando in der Garderobe (Foto: Verleih) Schritt für Schritt zur Frau wird. Mit weißer Schminke als Grundierung, dann mit schwarzer und roter für Augen und Mund. Weibliche Zeichen ergeben "Das geschriebene Gesicht", Kostüm und Perücke ergänzen die perfekte Illusion: die - wie das Theater selbst - nicht weniger als heilig ist.

Die Annäherung des Schweizer Regisseurs an eine mittlerweile 400jährige Kunstform geschieht bedächtig und immer mit dem Blick des Fremden. Er genießt es, gebannt zu werden, auch wenn ihm die Beduetung unklar bleibt. Er läßt sich faszinieren von Ritualen, die für die Gegenwart verloren scheinen. Nostalgie stellt sich ein. Schmid, der Erinnerungsfetischist und Vergangenheitsbeschwörer ("der Kuß der Tosca", "Zwischensaison"), bittet alte Meister vor die Kamera, die ungealtert scheinen: Schauspielerinnen wie Haruko Sukimura, die in Filmen von Ozu und Naruse berühmt wurde; den Butoh-Tänzer Kazuo Ohno, hochexpressiv mit 88; eine agile Geisha im Alter von 101 Jahren, die unverdrossen an ihrem Instrument zupft und singt.

Ähnlich wie in Werner Schroeters artverwandter Hommage an die Macht der Oper "Poussières d'Amour - Abfallprodukte der Liebe" - fast zeitgleich im Kino - kann sich der (geduldige) Zuschauer von der dokumentierten Begeisterung durchaus anstecken lassen. Dennoch wird sich auch hier der Wunsch nach einer besseren Ordnung der filmischen Gedanken regen. Seinen faden Ausflug ins Melodram vergangener Zeiten im Mittelteil des Films - eine stumme Dreiecksgeschichte auf einem Schiff - hätte sich Daniel Schmid ganz sparen können. lupus

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