"Gespräch mit dem Biest"
Armin Mueller-Stahl führt erstmals Regie

Kritik aus der

Ob gewollt oder nicht, die historische Figur des Adolf Hitler ist längst zu einem Mythos geworden: Eine Unzahl von Deutungen, Zeitzeugenberichte, künstlerische Adaptionen, Parodien überlagern sich, der "Stern" ging vor zwölf Jahren dem Fälscher Kujau auf den Leim und bezahlte ein paar Millionen Mark und seinen guten Ruf für gefälschte Tagebücher, der "Spiegel" versuchte zum 50. Jahrestag des Kriegsendes, die letzten Tage im Berliner Führerbunker zu rekonstruieren. Auch sich direkt in die Person Hitlers hineinzuversetzen, scheint großen Reiz auszuüben - ob bei Rechtsradikalen, die immer wieder den Diktator imitieren, oder als Schauspieler im Film, wie bei Charlie Chaplin oder Mel Brooks.

Es ist also kein weltfremdes, abseitiges Unterfangen, was Armin Mueller-Stahl in seiner ersten Regiearbeit "Gespräch mit dem Biest" versucht. Stahl selbst spielt Hitler im Jahr 1992, der inzwischen 103 Jahre alt ist und seit 50 Jahren in einem bunkerähnlichen Keller in der Kantstraße 204, mitten in Berlin, haust. Der amerikanische Historiker Webster (Robert Balaban) besucht ihn dort mehrere Tage hintereinander und versucht herauszufinden, ob er den echten Hitler vor sich hat oder einen Doppelgänger namens Kronstaedt.

Natürlich ist Mueller-Stahl so klug und versucht gar nicht erst, sein filmisches Gedankenspiel in irgendeiner Weise realistisch zu inszenieren. Ob Hitler/Kronstaedts Frau und Pflegerin Hortense (Katharina Böhm) wie Eva Brauns Wiedergängerin durch die Kellergänge mit schaurig schaukelnden Lampen schreitet, ob der Herr des Bunkers in einer Emailleschüssel eine kleine Bücherverbrennung veranstaltet oder mit einer Zwille Bohnen auf Webster schießt, das alles hat von Anfang an groteske und skurrile Züge.

Trotzdem kann man "Gespräch mit dem Biest" nicht nur als bloßen Spaß abtun. Wenn der alte Hitler, im Rollstuhl sitzend, seine eigenen Reden als Filmmaterial im Fernsehen anguckt, wenn er selbst manchmal noch in diese Gesten und die gutturale Tonlage fällt oder dem "Liebestod von Tristan und Isolde" lauscht, dann wirkt er nicht nur wie die zum Untoten gewordene historische Leiche im Keller der Deutschen, sondern erinnert auch an eine andere historisch-mythische Figur, die für den romantischen und zugleich unheimlichen Erlösungswunsch der Deutschen steht: an Barbarossa, der im Kyffhäuser schlummert.

Doch Mueller-Stahls Film kann diesen ambitionierten Balanceakt nicht durchhalten. In den zehn Tagen, in denen sich wie in einem Kammerspiel Hitler/Kronstaedt und Webster schnelle Rededuelle liefern, setzt sich Mueller-Stahl vor allem mit den schauspielerischen Mitteln des historischen Hitler auseinander und probiert diese an sich und mit sich aus. Auch Harald Juhnke, Dieter Laser, Otto Sander, Kai Rautenberg, Hark Bohm und Peter Fitz, die als Hitlers Doppelgänger auf der Hochzeit von Hitler/Kronstaedt und Hortense einen kurzen Gastauftritt haben, versuchen jeder auf seine Weise, das "over-acting" des Diktators durchzuspielen. Doch Hamlet, im Tonfall Hitlers gesprochen, und die sehr simple Erklärung Hitler/Kronstaedts, daß ihm 50 Jahre lang niemand geglaubt habe, er sei der echte Hitler (was in sketchähnlichen Schwarzweiß-Rückblenden erzählt wird), lassen in "Gespräch mit dem Biest" dann doch die parodistischen, komischen Elemente überwiegen. Dieses "Hitler-Imitieren" so vieler bekannten Mimen sieht ein wenig aus wie eine Stunde schauspielernder Selbsterfahrung. Störend wirkt auch die aufgesetzte Klammer, daß Webster ein Jude ist (was nur am Anfang kurz erwähnt wird), der am Ende dann mit einem Pistolenschuß Rache nimmt.

Davon abgesehen ist "Gespräch mit dem Biest" durchaus sehenswert, eine überraschend leichtfüßige Annäherung an den bleischweren Hitler-Mythos, die dann aber doch ins Straucheln gerät. Denn auch einen Hitler, den man nur per Film ins Leben gerufen hat, schafft man so leicht nicht wieder aus der Welt. th

  Kritik aus den

Hitler lebt, aber keiner will es glauben. Das ist die Ausgangssituation in einem kuriosen Kino-Kammerspiel, das sich um die Frage dreht:
Was wäre wenn . . .? Ausgedacht hat sich diese Geschichte der renommmierte Schauspieler Armin Mueller-Stahl, der damit nicht nur sein Debüt als Autor und Regisseur gibt, sondern auch noch die Hauptrolle spielt. Er nennt diesen Akt der Selbstbefreiung einen "verzweifelten Versuch, diesen Kerl loszuwerden". Das "Gespräch mit dem Biest" verläuft allerdings längst nicht so aufregend und aberwitzig, wie es anfangs scheint.

"Der Führer" ist 103 Jahre alt und bester Dinge. Zusammen mit seiner schönen, jungen Frau Hortense (Katharina Böhm) wohnt er zurückgezogen in einem Berliner Kellerbunker. Oder ist dieser alte Spinner mit dem Hitler-Bärtchen in Wirklichkeit doch nur ein Schauspieler namens Kronstaedt? Diese Frage will der amerikanische Historiker Webster (farblos: Bob Balaban) in einer zehntägigen Interview-Serie klären.

Die täglichen Gesprächsrunden bestimmen die Dramaturgie - und erschöpfen sich ziemlich schnell. Nur selten blitzt der Wahnwitz auf, den die verrückte Konstellation verspricht. Der blasse Amerikaner (natürlich jüdischer Herkunft) ist schon bald davon überzeugt, daß er den echten Hitler vor sich hat. Der konnte angeblich überleben, weil er sechs Doppelgänger hatte.

Selbstverständlich kennt Mueller-Stahl die klassischen Hitler-Lachnummern von Lubitsch, Chaplin, Tabori oder Mel Brooks. Dagegen beschwört er den Dämon mit einer Witzfigur, die nicht besonders komisch, aber vor allem viel zu harmlos wirkt. Die Banalität des Bösen sieht anders aus. Sein Hitler ist ein rüstiger Rentner, etwas infantil und überheblich, aber durchaus nicht unsympathisch. Er hat es früher genossen, daß man Angst vor ihm hatte. Aber jetzt erschöpft sich seine Bosheit in kindischen Streichen.

Hortense, jugendliche Geliebte und treusorgende Krankenschwester zugleich, warnt den neugierigen Historiker: "Das deutsche Volk ist schlecht für sein Herz." Und der Alte, der sich für sein Volk schämt, weiß auch, warum er den Krieg verloren hat: Nur wegen der Frauen, die ihm im Kopf herumspukten.

Natürlich muß das Biest am Ende sterben. Aber das Phänomen Hitler ist damit noch längst nicht aus der Welt. Armin Mueller-Stahls Vorlage, die wohl besser fürs Theater geeignet wäre, bleibt an der Oberfläche hängen. STEFFEN RADLMAIER

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