Ein Interview mit dem Regisseur Peter Greenaway
Frauen sind keine Engel

An Peter Greenaway (Foto: Concorde) scheiden sich die Geister. Die einen verehren ihn als den originellsten und avantgardistischsten Regisseur der Gegenwart, die anderen verachten ihn wegen seiner Manierismen und verschlüsselten Erzählweise.
Sabine Spindler sprach mit Greenaway.

In Ihrem Film "Die Bettlektüre" wird das Bemalen des Körpers immer wieder als erotischer Akt vorgeführt. Haben Sie die Idee dazu einem erotischen Handbuch entnommen?

Da muß ich Sie enttäuschen. Die Quelle dazu ist die originale Bettlektüre, das Kopfkissenbuch der japanischen Hofdame Sei Shonagon, auf das sich mein Film ja bezieht. Denn diese Hofdame hat vor 1000 Jahren etwas wohl bis heute Gültiges geschrieben, daß nämlich Körper und Text zwei einander abhängige Aktivitäten sind, die ich in meinem Film versuche zusammenzubringen.

Was verbindet Ihrer Meinung nach Körper und Text?

Der Körper stellt Sexualität als Motor des Lebens dar, und Text ist eine Quelle der Inspiration. Beides, Sex und Text, ist erregend und anregend. So entstand die Geschichte einer Frau, die es am Anfang liebt, daß ihr eigener Körper bemalt wird, dann aber dazu übergeht, ihre Liebhaber zu bemalen. Sie wird vom Papier zum Pinsel.

Wenn Sie eine Frau wären, würde ich eine ganz bewußt gestaltete Emanzipationsgeschichte dahinter vermuten . . .

Ich bin froh, daß Sie das sagen. Man hat mich schon so oft als Frauenfeind angeklagt. Daß ich Frauen brutalisiere oder erniedrige. Das muß ich schroff zurückweisen, Frauen sind bei mir ganz natürliche Protagonistinnen und keine Engel. Aber ich denke, dieser Wandel der Hauptfigur in "Die Bettlektüre" bewahrte mich davor, diesem westlichen Mythos von fernöstlichen Frauen zu verfallen, daß Asiatinnen sanft, passiv und willig sind.

Manchmal habe ich den Eindruck, daß die Kalligraphie in Ihrem Film vor allem eine ästhetische Funktion hat.

Ja, natürlich. Wenn jemand im Widerspruch zu meinen Gedanken steht oder ihm mein Standpunkt überhaupt nicht gefällt, dann will ich denjenigen wenigstens an seinem Schönheitsempfinden packen.

zurück zur Titelseite

© NORDBAYERN INFONET