Gene Hackman ist großartig in der Grisham-Verfilmung „Die Kammer“
Alte Gespenster

Kritik aus der

Und dann wird es doch dramatisch. Da sind wir zwar schon in der Mitte des Films, aber immerhin. Was so packend wirkt, ist eine eigentlich unspektakuläre Szene: Ein Mann schaut in den Sonnenaufgang. Er kneift die Augen zusammen. Er fletscht die Zähne. Er unterdrückt das Weinen. Diesen Mann spielt Gene Hackman.

Der rassistische Mörder, den er verkörpert, hat seit fünfzehn Jahren keinen Sonnenaufgang gesehen. So lange sitzt Sam Cayhall schon in der Todeszelle. Und jetzt ist sein Enkel Adam gekommen, ein junger Anwalt (Chris O'Donnell), der ihn in letzter Minute heraushauen will. Während der Zuschauer noch glaubt, daß das klappt, weiß Sam Cayhall, daß er zum letzten Mal die Sonne aufgehen sieht.

So etwas „rüberzubringen“, das macht den Schauspieler aus, den guten Schauspieler. Gene Hackman eben. O'Donnell fällt dagegen schon gewaltig ab. Er bringt nicht viel mehr rüber als blaue Augen. Für seine Rolle als Batmans Robin mag das reichen. Aber nicht für die Weltklasse, die dieser Film anstrebt, nicht für das Anliegen, das er vorbringt. Da hätte es, Scientology hin oder her, eben doch Tom Cruise gebraucht. Der kann sich so herrlich aufregen. O'Donnell ist zu steif.

„Die Kammer“ von John Grisham war über Monate hinweg an der Spitze aller Bestsellerlisten. Also dürfte ein Großteil der Filmbesucher das Buch kennen. Und das ist auch gut so, denn Regisseur James Foley nimmt sich nicht die Zeit, Charaktere zu entwickeln. Beispielsweise zu erklären, wie jemand Rassist wird. Er ist es halt, und deshalb lyncht er auch, fertig.

Trotzdem gelingt es Foley, in der Bildersprache etwas herauszuarbeiten, was im Buch unentwickelt bleibt: Bigotterie und Brutalität der amerikanischen Südstaaten. Es steht immer das Idyllische des Bildes in scharfem Kontrast zum Verhalten der Menschen in diesem Bild. Da wird die Schönheit der Natur an einem Morgen in Mississippi gezeigt, und dann, in diesem Frieden, der Mord. Da steht das Gediegene alten Holzes, geschliffenen Glases, glänzenden Messings gegen die Verlogenheit der Besitzer solchen Interieurs.

Bei allen Bemühungen aber erreicht der Film ganz selten die hundert Prozent Gefühlsdichte und Überzeugungskraft, die – und das ist ganz besonders ärgerlich – ihm doch möglich wären. Er versagt, wie erwähnt, völlig bei der Schilderung des rechtsradikalen Milieus. Trotzdem macht er eines deutlich: Sam Cayhall, der zwei jüdische Kinder in die Luft gesprengt hat „ist nicht zu beschuldigen, er ist nur ein Bauer in ihrem Spiel“ – so lautet ein berühmter Refrain von Bob Dylan, der bei Grishams Roman-Idee mit Sicherheit Pate gestanden hat. Mit den Worten „he aint't to blame, he is only a pawn in their game“ hatte Dylan nämlich in den Sechzigern einen ganz ähnlichen Fall besungen.

Im übrigen gibt es erstaunlich wenig Szenen vom Typ „Einspruch, Euer Ehren!“ – auf Dramatik, die sich dank der Showbusiness-Strukturen der angloamerikanischen Justiz fast von selber schreibt, konnte Foley verzichten, so souverän war er doch.

Am Schluß kommt es, wie es kommen muß: wir sehen sie, die blaue Kammer aus Stahl. Es ist die Minute nach Mitternacht. Traditionelle Hinrichtungszeit. Wir wissen, dank Sams Beschreibung, wie das jetzt funktionieren wird mit der Schwefelsäure, den Zyanidkörnchen und dem Gas, das sich daraus entwickelt.

Und wir sehen Gene Hackman, wie er das Sterben in dieser Gaskammer mimt. Wie er versucht, die Luft anzuhalten. Wir sehen das gespielt, was Millionen Amerikaner endlich einmal echt, live und im Fernsehen sehen wollen. magnus

  Kritik aus den

Bestsellerautoren wie John Grisham werden – naserümpfend – von der Kritik entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder ein für allemal als einfallslose Trivialitätenlieferanten abgestempelt. Aus aktuellem Anlaß möchte der Rezensent eine Lanze für Grisham brechen, denn weder sind seine Romane nach Einheitsschema konstruiert noch bedienen sie immer die gleichen Klischees.

„Die Kammer“ zum Beispiel ist ein packend geschriebener, spannender Roman, in dem Themen wie „Todesstrafe“ und „Rassismus“ auf geschickte, keineswegs aufgesetzte Weise mit einer buchstäblichen existentiellen Tragödie verknüpft sind. James Foleys gleichnamiger Film muß sich nicht verstecken und ist die bislang gelungenste Kinoadaption eines Grisham-Stoffes.

Ohne Mainstream-Schnickschnack und ohne Actionszauber folgt der Film der klaren, nüchternen und unsentimentalen Geschichte der Vorlage. Vorzuwerfen ist dem Streifen höchstens, daß die sich gegen Ende häufenden Bekenntnisse naturgemäß keine filmische Auflösung finden und darum etwas steifbeinig daherkommen.

Gene Hackman als hohlwangiges, stoppelbärtiges ehemaliges Ku-Klux-Klan-Mitglied, das nach einem Bombenanschlag auf eine jüdische Familie auf seine Hinrichtung in der Gaskammer wartet, ist schon allein das Eintrittsgeld wert. Virtuos zeichnet er das Porträt des uneinsichtigen rassistischen Widerlings Sam Cayhall, der sich während seiner letzten Lebenstage gezwungenermaßen mit seiner Vergangenheit auseinandersetzen muß.

Sein Enkel (Chris O'Donnell), ein junger Yuppie-Anwalt mit tadelloser, politisch korrekter Haltung, versucht die Exekution im letzten Augenblick zu verhindern. Getrieben wird der Jurist, der auch bei seiner Tante (Faye Dunaway) die alten Klansmen-Gespenster wieder zum Spuken bringt, jedoch nicht von der Überzeugung, daß sein Großvater unschuldig ist. Nur die Möglichkeit, erstmals in seinem Leben mit dem alten Mann zu sprechen und dadurch etliche Lücken in der eigenen Biographie zu schließen, treibt ihn in diesen von Beginn an aussichtslosen Kampf um ein Menschenleben.

Kein Zweifel, Cayhall hat den Tod verdient, dessen Unabwendbarkeit erst eine Annäherung zwischen beiden Männern möglich macht. Ein Verzeihen ist nicht möglich, aber immerhin der Versuch eines Verstehens. „Die Kammer“: Ein Kammerspiel. mime

Zur offiziellen Homepage von "Die Kammer" (engl.)

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