Walter Hills Filmexperiment "Last Man Standing"
Zwischen den Welten

Ein Fremder reitet in die Stadt. Verwegene Cowboys pöbeln ihn an. Der Sheriff hört und sieht nichts. Also zieht der Fremde seinen Revolver und bereinigt die Sache. Und der Bestatter zieht den Hut und lächelt höflich. So begann vor über 30 Jahren der erste Italo-Western von Sergio Leone, so beginnt auch "Last Man Standing" - allerdings mit einigen Modifikationen. Der Fremde reitet nicht, er fährt mit dem Auto. Die Bösewichte tragen keine Cowboyhüte, sondern Homburg.

Der Bestatter dagegen ist unverkennbar "echt", ebenso die Westerntown - dafür ist der Pferdestall zur Tankstelle umgerüstet und das letzte Roß hat seinen Geist aufgegeben. Ja wo sind wir denn hier? In Jericho, Texas - 1931. Und in einem Film von Walter Hill. Wer Walter-Hill-Filme kennt, sollte darüber nicht allzu überrascht sein: "Long Riders" und "Ausgelöscht" waren kuriose Mischungen aus Western- und Gangsterfilm-Versatzstücken, eklektisch, aber originell. Als Hill sich dem reinen Western zuwandte, wollte das keiner sehen. "Last Man Standing" scheint auf den ersten Blick wie ein Rückzug auf sicheres Terrain: Das Drehbuch vom Meister persönlich lehnt sich offiziell an Kurosawas Samurai-Klassiker "Der Leibwächter" an (der hatte schon Sergio Leone inspiriert).

Die Geschichte ist so einfach, daß man bei übelstem Willen nichts verderben kann: Ein Fremder (Unser Constantin-Foto: Bruce Willis) kommt in eine Stadt, in der sich zwei Gangsterbosse bekämpfen. Auf eigene Rechnung arbeitend, dient sich der Fremde mal dem einen, mal dem anderen an und spielt sie gegeneinander aus. Als der Fremde ein einziges Mal so etwas wie ein Herz zeigt und eine Frau rettet, wird er fürchterlich verprügelt. Woraufhin er zur Rache schreitet .

Eine altbewährte Geschichte, genau das richtige für einen sicheren Kassenerfolg. Aber Hill geht eben nicht auf Nummer sicher: Er experimentiert! "Last Man Standing" steht zwischen den Welten: Nicht mehr Western und noch nicht Gangsteroper und doch beides in einem, Fusion, Neutrum und Zwitter zugleich, unwirklich und irritierend. Ein Geisterwestern. Auch formal wirkt "Last Man Standing" seltsam entrückt. Kameramann Lloyd Ahern taucht seine Aufnahmen in monochromes Graubraun, als blätterte er in einer vergilbten Chronik. Walter Hill überläßt die Erzählung der Geschichte seinem Helden. Die betont coolen Kommentare erheitern und beruhigen den Zuschauer der - anders als bei Kurosawa und Leone - von Anfang an weiß, daß Mr. Smith überleben wird. So entzieht sich das ganze Geschehen in die Sphären des Jägerlateins. "Last Man Standing" ist so unglaublich und wahr, wie eine Geschichte, die man früher am Lagerfeuer erzählte - irgendwo in der Prärie, 1931.  Reika

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