„Ein Licht in meinem Herzen“, der erste Spielfilm von Nick Cassavetes
Die Kunst des Zigarettenanzündens
Gena Rowlands muß sich von der Familie befreien!

Kritik aus der

Gena Rowlands ist ein Engel mit Falten, und es tut jedesmal gut, sie zu sehen. Die Zeit der Leinwanddiven ist längst vorbei, die Sonne über dem Sunset Boulevard wohl für immer untergegangen. Und doch gibt es Gena Rowlands, die, ganz auf ihre Weise, einen Rest von Glamour in die Gegenwart hat retten können. Schönheit und Leben, Glanz und Alter sind bei ihr kein Widerspruch, und es ist kein Stilbruch, wenn sie in Gummihandschuhen auftritt, um ihren Kühlschrank zu putzen. Auch im Alltag bleibt sie Star: als Frau, die fest auf dem Boden der Tatsachen steht und doch, mit Blick und blondem Haar, die Magie des Kinos immer wieder berühren darf.

Gerade in an sich kleinen Momenten: wo das Anzünden einer Zigarette, das Auftragen des Lippenstifts vor dem Spiegel zur großen Kunst wird. Keine andere amerikanische Schauspielerin kann derart ausdrucksstark hinter einem Wodka-Martini sitzen wie Gena Rowlands. Einfach sitzen und trinken und schauen. Und doch ist alles damit gesagt: über die Einsamkeit und den Traum, die Not und das Weitermachen.

Das Kino des John Cassavetes, ihres Mannes und besten Regisseurs, bestand aus solchen Augenblicken: die, psychologisch genau abgestimmt, zu eindringlichen Charakterstudien wuchsen. In „Ein Licht in meinem Herzen“, dem ersten Film ihres Sohnes, muß man sie suchen. Das ist das ganze Problem. Während John Cassavetes mit seinen verstörenden Werken zu einem der Gründerväter des unabhängigen Films wurde, reiht sich Nick Cassavetes mit seinem Debüt brav in die Reihe der Routiniers ein und fügt der Fülle mäßig interessanter Familienfilme aus Hollywood einen weiteren hinzu. In dem von vornherein fest steht, daß jedes Kind einen Vater braucht: vor allem zum Football-Spielen.

Man hätte sich für Gena Rowlands ein Drehbuch gewünscht, das ihr alle „Nimm - doch - noch - ein - Stück - Kuchen!“-Dialoge erspart, eine Regie, die sie von allen „Ich - hab - Euch - so - fürchterlich - lieb!“ - Gesten befreit hätte. Denn die Rolle der Mildred ist ihr wie auf den Leib geschneidert: als vereinsamte Witwe muß sie lernen, mit dem Leben neu umzugehen. Die Tochter verläßt trotzig das Haus, der Sohn, ein liebloser Karrierist, will sie zu sich holen, und eine chaotische Nachbarin will Mildred als Babysitterin für ihren Jungen. Erst langsam kann sich Mildred von der Mutterrolle lösen und sich wieder als freie Frau begreifen. Gérard Depardieu als Trucker hilft ihr dabei: aus Liebe. Die ist verständlich! lupus

  Kritik aus den

Kinder von berühmten Stars haben es schwer, wenn sie in der gleichen Branche erfolgreich sein wollen. Entweder werden sie ungerechtfertigt mit Vorschußlorbeeren überhäuft oder mit besonders strengem Maß gemessen. Nick Cassavetes ist so ein vorbelasteter Sohn. Er vermied es lange, in die Fußstapfen seines berühmten Vaters John und seiner Mutter Gena Rowlands zu treten. Doch auf Dauer konnte er der Versuchung offenbar doch nicht widerstehen: Sein respektables Regiedebut kommt jetzt in die deutschen Kinos.

„Ein Licht in meinem Herzen“ ist eine Verbeugung des Sohnes vor der Mutter. Und sie bedankt sich dafür mit höchster Schauspielkunst zwischen Komik und Tragik, Lebensweisheit und jugendlichem Elan. Gena Rowlands spielt eine alternde Witwe auf der verzweifelten Suche nach einem Lebensinhalt. Ihre Antagonistin ist die mindestens ebenso hinreißende Marisa Tomei, die als durchgedrehte junge Mutter von der älteren Nachbarin wieder vom Kopf auf die Füße gestellt wird.

Die Frauen treffen ein Arrangement, das beide aus einer Notsituation erlöst: Monica, die junge Mutter, hat ihren schlägernden Gatten vor die Tür gesetzt und weiß jetzt nicht, wohin mit ihrem Sohn J.J., weil sie auch noch jobben muß. Mildred, gerade von ihrer pubertierenden Tochter verlassen, sucht dringend nach einem Ziel für ihren ausgeprägten Mutterinstinkt. Also bietet sie sich als Babysitter an.

Aus der Zweckgemeinschaft wird für Mildred eine echte Ersatzfamilie. Sie gibt dem Jungen Nachhilfe im Indianertanz und Abspülen, arbeitet systematisch mit ihm das Lexikon durch, auf daß so einer kluger Mann aus ihm werde wie ihr aalglatter und erfolgreicher Sohn. Sehenswert an dem Film sind die genau beobachteten Sozialstudien, sowohl im chaotischen Haushalt von Monica als auch beim Besuch von Mildreds Sohn samt dümmlicher Schwiegertochter.

Aber weder die guten Darsteller noch die vielen kleinen Gags retten den Film vor dem Absturz ins echt amerikanische Gefühlskino. Gegenseitige Liebeserklärungen von Mildred und J.J., heiteres Ballspiel auf gepflegtem Rasen und schließlich noch eine Fast-Romanze zwischen der attraktiven Witwe und dem knuddeligen Fernfahrer Thommy (Gérard Depardieu) – der Blick des Regisseurs wird zunehmend rosarot.

Geradezu erleichtert ist man da, als Mildreds Träume vom Dauer-Leihenkel zerplatzen: Monica versöhnt sich mit J.J.'s Vater, Mildred ist wieder ohne Aufgabe, fängt an, sich in leeren Bars mit Wodka-Martini zuzuschütten und beschließt schließlich, ihr Haus zu verkaufen. Sie packt die Koffer, das Ziel ihrer Reise verrät sie aber weder ihren Kindern noch dem Zuschauer. Ein erträgliches Happy-End, mit dem Cassavetes gerade noch den Sprung aus der Kitsch-Schublade schafft. erl

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