Inzest, Lügen und Videos
Robert Jan Westdijks radikaler Film “Little Sister“

Kritik aus der

Robert Jan Westdijks “Little Sister“ beginnt als Film im Film, mit einem Kameraschwenk über diverse Videokassetten mit der Aufschrift “Zusje“, dem Originaltitel der niederländischen Produktion. Was sich hier als Reflektion über das Medium Film andeutet, entwickelt sich mit einer überraschenden Eigendynamik zu einer ganz anderen Thematik, nämlich dem vermeintlichen Inzsest zwischen zwei vermeintlichen Geschwistern. Martijn (Hugo Metsers III), der unsichtbare Sprecher mit der Kamera in der Hand, taucht nach vielen Jahren wieder im Leben seiner jüngeren Schwester Daantje (Kim van Kooten) auf, um sie unaufhörlich mit verwackelten und grobkörnigen Bildern in allen Situationen ihres Alltags zu verfolgen und einen “Film über ihr Leben zu machen“, wie der gesichtslose Kommentator hinter dem Objektiv an einer Stelle sagt. Tatsächlich aber will er sich über das Leben seiner Schwester an sein eigenes Trauma herantasten und für seine Erinnerung an eine inzestuöse Beziehung endlich Gewißheit finden. Dieses Geheimnis löst der Regisseur am Ende mit einem provokanten Befreiungsschlag. Robert Jan Westdijks spielt also auf zwei Ebenen das Phänomen von Macht und Gewalt durch: Zum einen zeigt er die Manipulation durch Bilder, den notwendigen Exhibiionismus und vor allem die Gewalt des Hobbyfilmers; der Voyeurismus dringt bis zum Intimsten, bis ins Bett und bis zum vermeintlichen Inzest. Dieses Machtgefüge zeigt er auch gewagt bei der Inzestthematik: Das Opfer wird bei Westdijk vermeintlich zum Täter, und umgekehrt. Die Wahrheit kann es im medialen Zeitalter nicht (mehr) geben. Westdijk verzichtet bereits auf die Suche. (OmU). sc

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Er ist gekommen, um einen Film über ihr Leben zu drehen und ihr dabei kräftig ins Drehbuch zu funken: Seit dem Tag, an dem ihr Bruder Martijn (Hugo Meters III) mit gezückter Videokamera vor ihrer Tür auftaucht, ist Daantje (Kim van Kooten) keinen Augenblick mehr unbeobachtet. Ein Spiel um Macht, Betrug und Entlarvung beginnt, das immer weiter in die Kindheit der Geschwister zurückführt.

An die Perspektive der schwankenden Handkamera gebunden, wird der Zuschauer zum Voyeur, der die subjektive Sicht des jeweiligen Filmemachers einnimmt. Die Machtverhältnisse kehren sich um, als Daantje ihrem Bruder die Kamera entwendet und selbst die Regie übernimmt, um die Vergangenheit zu Ende zu bringen. Wunderbar spannend, dabei leicht und witzig erzählt der Debütfilm des niederländischen Jungregisseurs Robert Jan Westdij von einer ungewöhnlichen Beziehung aus ungewöhnlicher Perspektive (OmU). tab

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