Love etc., ein Film von Marion
Vernoux: |
Kritik aus der Was die Liebe alles bewirken kann: Benoît (Yves Attal) hat über eine Kontaktanzeige Marie (Charlotte Gainsbourg, vor kurzem noch als spröde Jane Eyre zu bewundern) kennengelernt. Benoît ist eigentlich ein stiller Typ, schüchtern fast und immer in einen korrekten Anzug gezwängt. Aber jetzt, beflügelt durch die neuen Gefühle, legt er ein Stück von Leonard Cohen auf und tanzt dazu in seiner Wohnung ein paar ungeschickte Schritte. Als er dann auch noch hört, daß Marie ihn auf dem Anrufbeantworter um ein weiteres Rendezvous bittet, schleckt er, ganz im unverhofften Glück versunken, versehentlich den Löffel mit dem Katzenfutter ab. Später, viel später Marie und Benoît sind mittlerweile verheiratet hört man das gleiche Cohen-Lied wieder. Benoîts bester Freund Pierre (Charles Berling) ist zu Gast beim Abendessen. Benoît wird ihm die Nase blutig schlagen und sein Gesicht in die Schüssel mit mousse au chocolat tauchen, denn Pierre hat sich in Marie verliebt und Marie in Pierre. Dann stehen alle drei stumm im Zimmer und wissen nicht weiter. Keiner hat Lust zu tanzen. Was die Liebe alles anrichten kann. Ausflug zum Strand Love etc. heißt dieser Film der französischen Regisseurin Marion Vernoux. Das klingt leicht und unbe schwert, heiter und verspielt: Liebe und andere Kleinigkeiten. Und so beginnt es auch. Doch nach dem ersten Drittel verdüstert sich der Film, ändert langsam die Atmosphäre, und man spürt sehr genau die Befangenheit, die sich allmählich der Figuren bemächtigt. Bei einem Ausflug zum Strand, kurz nach ihrer Hochzeit mit Benoît, blickt Marie durch den Sucher einer Kamera auf Pierre, den Gewandten, den Charmanten, der immer lächelt; doch plötzlich legt sich ein Schatten auf sein Gesicht. Danach ist nichts mehr wie vorher. Bald wird er Marie mit Blumen bedrängen und mit Liebesgeständnissen. Marie weist ihn zurück, eines Tages wird sie ihn küssen. Liebe und andere Katastrophen. Oder, wie Ford Madox Ford seinen illusionslosen Roman über die Liebe genannt hat: Die allertraurigste Geschichte. Benoît, Pierre und Marie oder Jules und Jim und Cathérine in den 90er Jahren? Die Parallelen zu Truffauts unsterblichem Liebesfilm sind offensichtlich. Von da an waren wir immer zu dritt. Es war wie in dem alten Schwarz-Weiß-Film, läßt die Regisseurin Benoît sagen, wo alle zusammen Rad fahren. Und Zigarre rauchen, einen Wettlauf machen, am Strand liegen, glücklich sind und unglücklich. Marion Vernoux, die manche viel leicht schon von ihrem ebenso sensiblen wie selbstbewußten Frauen-Road-Movie Personne ne m'ime (Niemand liebt mich) kennen, kann es sich leisten, die Nähe eines übergroßen Klassikers zu suchen. Trotz der gemeinsamen Grundkonstellation findet sie zu einem ganz eigenen Ton. Wo Jules und Jim mit seinem poetischen Klang dem Alltag weitgehend entrückt, behält Love etc. den Boden unter den Füßen. Während sich bei Truffaut von Anfang an der Zauber des Leichten mit dem ganz anderen Zauber der Melancholie verbindet, senkt sich bei Vernoux'Film die Traurigkeit nach und nach ins Herz. Es sind die Details, die hier ein so wenig aufbauendes Bild von der Liebe entwickeln: Wenn Benoît Marie weiße Rosen in Zellophan mitbringt, hat man das Gefühl, diese Ehe sei bereits uralt. Wenn Pierre und Marie ihre Zuneigung zugeben, wird plötzlich allen klar, daß Benoît die ganze Zeit schon davon wußte. Am Ende oder, wie es im Film heißt, am Anfang des neuen Jahrhunderts, treffen die drei wieder am Strand zusammen, trinken Champagner, tragen russische Mützen, lachen und versuchen vergeblich, glücklich zu wirken, drei Narren in einem Spiel, dessen Regeln keiner ganz beherrscht. Die allertraurigste Geschichte eben. Tamara Dotterweich |
Kritik aus den Zwei Männer und eine Frau feiern den ersten Tag des neuen Jahrtausends am Strand der französischen Kanalküste mit Champagner, so wie sie es sich vor Jahren vorgenommen haben. Allerdings unter etwas anderen Voraussetzungen. Das Schlußbild faßt das Liebesdilemma der drei wunderschön zusammen: Sie sitzen zusammen am Wasser, die beiden Männer wollen die Frau in der Mitte umarmen und schrecken zurück, als sich ihre Hände berühren. Marie ist mit Benoit verheiratet, lebt aber seit langem mit seinem Freund Pierre. Die Dreiecksgeschichte die Marion Vernoux in ihrem Film Love etc. (nach dem Roman Darüber reden von Julian Barnes) erzählt, ist nicht gerade umwerfend neu. Aber sie ist wieder mal ein Beispiel für ein schwerelos heiteres Gefühlskino, wie es nur die Franzosen hinkriegen. Ein liebenswerter Film, der in der Tradition eines Truffaut oder Rohmer steht. Die beiden Freunde Benoit und Pierre sind so etwas wie Jules und Jim der neunziger Jahre. Benoit (Yvan Attal) ist ein zurückhaltender und pflichtbewußter Bankbeamter, Pierre (Charles Berling) so ziemlich das Gegenteil. Über eine Kontaktanzeige lernt Benoit die introvertierte, schlechtgekleidete Kunst-Restauratorin Marie (Charlotte Gainsbourg) kennen, die entschlossen ist, den Mann fürs Leben zu finden. Es wird Liebe auf den zweiten Blick, ohne große Leidenschaft, aber voller Sympathie, die Hochzeit läßt jedenfalls nicht lange auf sich warten. Der lebenslustige Pierre ist der Trauzeuge, und bei der Hochzeitsfeier erkennt er, daß er sich in die Frau seines Freundes verliebt hat. Es folgen komische Annäherungsversuche und heillose Gefühlsverwirrungen. Marion Vernoux verläßt sich ganz auf die Präsenz und Glaubwürdigkeit ihrer drei hinreißenden Hauptdarsteller und erzählt die Geschichte aus wechselnden Perspektiven. So wie Marie in mühevoller Kleinarbeit Bilder restauriert, so legt die Regisseurin Seelenschicht um Seelenschicht frei. Die Befindlichkeit des Trios, das sich vergeblich um die rechte Beziehungsbalance bemüht, wird in vielen bezeichnenden Szenen und witzigen Dialogen deutlich. Lange wehrt sich Marie gegen Pierres Avancen, hin- und hergerissen zwischen Verstand und Gefühl. Noch länger dauert es, bis Benoit begreift, was sich da angebahnt hat. Er fühlt sich als gehörnter Ehemann da, aber die Wirklichkeit ist weitaus komplizierter als sich in Liebeskomödien träumen läßt. Am Ende sind die drei zusammen allein
im wunschlosen Unglück. Kein Happy-End, kein Desaster,
fast wie im richtigen Leben. STEFFEN |
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