Al Pacino spielt (und inszeniert)    Shakespeare
  Schurke mit   Basaeball-Kappe

Kritik aus der

Der Star mischt sich unters Straßenvolk und fragt nach Shakespeare. Shakespeare? Ja, den mag er, sagt der alte Mann in gebrochenem Englisch. Al Pacino will wissen, was er schon von ihm gesehen hat. Der Passant: nichts. Das New Yorker Girlie findet Shakespeare nur noch „ätzend“, während ein zahnloser Schwarzer sich gleich zum Prediger auswächst. Wenn die Menschen mehr Shakespeare lesen würden, sagt er, würden sie anders miteinander umgehen. Dann fängt er an zu betteln.

„Looking for Richard“ ist, Gott sei Dank, keine weitere Shakespeare-Verfilmung. Eher schon ein Film darüber, wie man Shakespeare heutzutage verfilmen kann. Das Stück „Richard III.“, eines von Shakespeares meistgespielten, dient dabei nur als Ausgangspunkt für eine amüsante Recherche nach allen Seiten. Al Pacino in der Rolle des mörderischen Erzschurken inszeniert seine persönliche Annäherung an den Klassiker und schneidet forsch Dokumentarisches und gespielte Dramenszenen ineinander.

Da braucht der Zuschauer weder biedere Werktreue befürchten noch, wie bei Richard Loncraines Faschismus-Parabel vom letzten Jahr, visuellen Bombast und aufgesetzte Bedeutung, sondern ist mittendrin im künstlerischen Prozeß. Erste Lektüre, Casting, Probenarbeit und augenzwinkerndes Spiel in die wacklige Handkamera hinein. Al Pacino, ganz „method-actor“, reist neugierig nach England, probt im nachgebauten Globe Theatre und löst im Geburtshaus des Barden unabsichtlich den Feueralarm aus: eine Dramaturgie des Zufalls, die Shakespeare verschmitzt in die Gegenwart holt.

Auch die Experten kommen zu Wort. Der unsterbliche John Gielgud als britischer Mustermime, Peter Brook als lieber Gott des Regietheaters, leise und weise. Vanessa Redgrave erklärt endgültig den jambischen Pentameter, und dickbebrillte Literaturprofessoren geben vor ihren Bücherwänden sitzend Rat. Das hindert Al Pacino nicht, auch eine Winona Ryder mitmachen zu lassen. Das beste Theater, „Looking for Richard“ zeigt es noch einmal auf unwiderstehliche Weise, findet eh hinter den Kulissen statt. (METROPOLIS, OmU) lupus

  Kritik aus den

„Jetzt folgt dem Winter unsres Unbehagens der Sommer unsrer Macht, die Sonne Yorks“, deklamiert ein düsterer Schurke mit schwarzem Haar und langer schmaler Nase. Mitten in Manhattan hören sich seine Sätze komisch an. Die Passanten gucken etwas ratlos, und offen sagen sie, nach Shakespeare befragt: Langweilig.

Al Pacino im Freizeitlook mit umgedrehter Baseballkappe und heruntergerutschten Brillengläsern will versuchen, mit der Verve des Mimen einen alten Text auf die Straße und unter die Leute zu bringen. „Looking für Richard“ nannte er sein Filmprojekt, ein Mix aus Bühnenproben, Gedankenaustausch, Interviews und Kollegen-Diskussionen. Eines schien dem Titelhelden während seiner Arbeit an diesem blutigen Königsdrama sicher: Die Erben Shakespeares sind die Schauspieler und nicht die Wissenschaftler.

Um das zu beweisen, erteilte der Regisseur den Gelehrten einen witzigen Part. Immer dann, wenn das Schauerstück um den buckligen Richard III. besonders finster wird oder sich dem Klassikerkitsch nähert, blendet Al Pacino den geistreichen Professoren-Kommentar ein, so fix, daß ihn alle gleich wieder vergessen dürfen. Denn der Star heißt Richard in der Selbstinszenierung eines Künstlers, der nur halb wagt, diesen monströsesten aller Shakespeares im Kino auszuspielen.

Schade eigentlich. Statt dessen wurden erlauchte Zirkel gebeten, ihre Ansicht über den Herzog von Gloster kundzutun. Vanessa Redgrave spricht vom Wesen der Jamben, Peter Brook kennt den leeren Raum und Sir John Gielgud lächelt weise.

Ungeklärt erscheint, ob überhaupt ein Amerikaner sich ans Werk machen darf, so very british kann er nun einmal nicht sein. Doch gegen amüsante (und bisweilen gespreizte Theorien) behauptet sich der Charaktertyp Pacino übermächtig. Sein Team probiert in malerischen Kreuzgängen und verfallenen Landsitzen und arrangiert dort – oder ganz einfach im Studiolicht – Aufstieg und Fall des machtlüsternen Richard.

Sein Auftritt mit der Lady Anne (zur Statistin degradiert: Winona Ryder) ist das Kabinettstück eines verschlagenen Charmeurs, der weiß, daß diese Frau gar keine andere Wahl hat, als ihn zu nehmen. Eine spannende Szene, die neugierig macht auf mehr als einen Richard nur zur Probe. Genau diesen Effekt hat Al Pacino vielleicht erzielen wollen. Er wechselt blitzartig die Situationen vom New Yorker Alltag in die philosophischen Höhen des Shakespeare-Diskurses.

So entwickelt sich ein lockerer, klug reflektierter Umgang mit einem komplizierten Stück Weltliteratur zwischen Wolkenkratzern und dem wiedererbauten Globe Theatre an der Themse. Nur das Kino, lehrt Maestro Pacino, kann sich mühelos diese Zeit- und Ortssprünge leisten. Ein unterhaltsames Experiment. (Metropolis Nürnberg, Original mit Untertiteln). INGE RAUH

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