Von vornehmer Lächerlichkeit
Aufwendige Kostüme und Kulissen zeigen den französischen Adel vor der Revolution

Kritik aus der

Von der Revolution ist noch nichts zu spüren. In voller Pracht sitzt der französische Adel in seinen Schlössern, scherzend und herzend, während das arme Volk dahindarbt. Wenn Ludwig XVI. in Versailles Hof hält, geht es weniger um das Wohl des Landes, als um die richtige Wortwahl und das galante Geplauder. Bonmots entscheiden über Aufstieg und Fall der strebsamen Aristokraten. Alles, was zählt, ist Esprit. Die Gesellschaft funktioniert als Gesellschaftsspiel. Natürlich zeigt Patrice Leconte, wenn sich die feinen Herren im freien Verseschmieden brüsten, die Spickzettel hinter den Fächern der Damen.

Zum wirklich bösen Blick aber hat es bei dem französischen Regisseur, erfolgreich mit "Der Mann der Friseuse" und "Die Verlobung des Monsieur Hire", nicht ganz gereicht. "Ridicule" bleibt ein reichlich aufwendiger Kostümfilm, der seine Dekors und Drapierungen nur bedingt hinterfragt und sich einigermaßen selbstverliebt am historischen Small-Talk berauscht. Die Geschichte um den jungen Landadeligen Ponceludon (Charles Berling), der aus der Provinz nach Versailles kommt, weil seine Bauern am Sumpffieber sterben und er sich vom König Unterstützung für sein Entwässerungsprojekt erhofft, liefert jedenfalls nur ein dürftiges Handlungsgerüst - das unter den noblen Bildern immer wieder zusammenzubrechen droht.

Das humanitäre Anliegen versandet recht schnell im genüßlichen Karikieren der Kabalen und Lieben, der üppig gepuderten Komtessen und geschminkten Popanze, der greisen Gecken und eitlen Hofbürokraten. Schlimmer wiegt Lecontes Unvermögen, den emotionalen Zwiespalt des Helden nachvollziehbar zu machen. Denn einerseits verliebt sich der unentschiedene Ponceludon in die sinnliche Tochter seines Mentors: Mathilde (Judith Godrèche), das Naturkind mit Forschergeist und prall gefülltem Mieder. Andererseits muß er erkennen, daß der schnellste Weg zur Audienz beim König immer noch über das Bett des Hochadels geht: Madame de Blayac (Fanny Ardant) steht hier dankbar zur Verfügung und bekundet auch unter dem Tisch, zielstrebig füßelnd, ihr erotisches Interesse. Einer Schauspielerin wie Fanny Ardant dabei vor allem das Entblößen eines perfekten Gebisses abzuverlangen, ist freilich zu wenig.

Esprit ist nicht alles - das gilt auch für "Ridicule." Das darin leitmotivisch über den englischen Humor gelästert wird, ändert nichts daran, daß Stephen Frears "Gefährliche Liebschaften" der weitaus bessere - und lustigere - Film zum Thema ist. lupus

  Kritik aus den

Ein vornehm gekleideter Mann eilt durch Zimmerfluchten, eine beflissene Magd öffnet ihm die Türen. Er stellt sich vor dem Hausherrn auf, einem gebrechlichen alten Mann im Sessel, erzählt von einem Erlebnis, damals, als er beim Tanzen hingefallen ist, „Marquis Pardauz nannte man mich“ - und beginnt, in aller Ruhe auf die elde Hose seines Gegenübers zu pinkeln. Der Greis kann nur hilflos stöhnen, während der Höfling im Spitzenjabot genüßlich die letzten Tropfen abschüttelt.

Der Zuschauer lacht bei dieser Eingangsszene zu Patrice Lecontes „Ridicule“, ohne den Zusammenhang zu kennen. Daß diese Form der Rache durchaus angemessen sein kann für einen, dessen Karriere am Hof Louis XVI. an einer Lappalie scheiterte, versteht man nach 102 Minuten dieses Versuches über die Dekadenz.

Der verarmte Landadlige Ponceludon kommt nach Versailles, um Unterstützung und Geld für sein Projekt zu gewinnen: Er will die Sümfpe auf seinen Ländereien trockenlegen, um die Bauern vor dem tödlichen Fieber zu bewahren. Naiv hofft er auf Zutritt durch ein Empfehlungsschreiben. Doch das Zauberwort, daß die Tür zum König öffnet, heißt „Esprit“.

Parice Leconte schwelgt ironisch in einem Kostümfilm, der die Maskerade nicht verheimlicht. Er tänzelt auf dem Grat zwischen Authentizität und Überteibung, er zeigt, was unter den edlen Gewändern steckt: Fanny Ardant als durchtriebene Hofdame Madame de Balyac steht vor dem Fenster, während zwei Dienstmädchen Berge von Puder auf ihren nackten Körper blasen. Der Bittsteller Ponceludon (Charles Berling) lernt Menuett tanzen, läßt sich von seinem Gönner, dem Marquis de Bellegarde, Schminktips geben. Bloß nicht zuviel Weiß ins Gesicht, ein Hauch von Rouge, alles andere ist „ridicule“.

Noch mehr aber kommt es auf den geistreichen Wortwitz, das Sprachspiel an. In ausgefeilten Rededuellen versucht die gelangweilte Hofgesellschaft, sich gegenseitig zu übertreffen. Ein gutes Bonmot wird dem König zugeflüstert, es ist die Eintrittskarte zur Audienz. Für den Zuschauer wird diese pausenlose Geistesgymnastik aber allmählich langatmig.

Ponceludon schlägt sich gut. Er spielt das Spiel mit, obwohl niemand die Geschichte von seinen armen Bauern hören will. Er verliebt sich in die Tochter Bellegardes, Mathilde, die lieber Tauchexperimente im Brunnen anstellt, als sich am Hof zu langweilen, und geht gleichzeitig mit Madame de Blayac ins Bett, um eine Audienz beim König zu bekommen.

Die zwei Welten, in denen die Hauptfigur lebt, vertragen sich nicht, Ponceludon versucht die Gratwanderung zugunsten seiner Entwässerungspläne. Doch der Film kann sich nicht entscheiden, ob er eine (auch auf heutige Zeit bezogene) Satire auf die Spiele der Macht sein will, oder ein Epos vom Helden, der auszog, den König zu sehen. In einzelnen Bildern der grandios geführten Kamera, in ein paar treffenden Sätzen ist die Satire perfekt. Aber Patrice Leconte, mit leisen Filmen wie „Die Verlobung des Monsieur Hire“ oder „Der Mann der Friseuse“ bekannt, traut sich nicht, die Drastik der Anfangsszene fortzusetzen. Und der Heldenmut des Ponceludon wirkt deshalb oft fehl am Platz – ridicule. Katharina Erlenwein

Zur offiziellen Homepage von Ridicule (engl.)

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