"Rossini" von Helmut Dietl:
Intrigen im Kerzenschein
Kritik aus der


"Denn es gibt sie nur, wenn man sie ansieht" hat der Liedermacher Konstantin Wecker vor ein paar Jahren über die "Schönen Leute" von der Schickeria getextet. Viele große Scheiben zum Hineingucken hat auch "Rossini", das italienische Restaurant, in dem sich die Münchner Film-Hautevolee allabendlich zu ihrem Fest der Eitelkeiten und zur Jagd nach Affären und Intrigen trifft. Helmut Dietl, der als Regisseur der Erfolge "Kir Royal" und "Schtonk!" längst der Meisterklasse der gehobenen Gesellschaftskomödie angehört, setzt in seinem neuen, nach besagtem Restaurant benannten Film ebenfalls voll auf die Neugierde und den Voyeurismus der Zuschauer. Voilà - auf großen silbernen Präsentiertellern wird gleich ein ganzes Starensemble des deutschen Films serviert, dazu raunt es noch geflissentlich "Insiderwissen" aus den Kulissen, denn schließlich hat Dietl mit dem "Rossini" sein eigenes Müncher Stammlokal nachbauen lassen. Der Untertitel dann zielt direkt auf's Thema Nr. 1: "Die mörderische Frage, wer mit wem schlief". Wer kann da noch weggucken?

Die Zutaten, aus denen der Film seine rasante Komik entwickelt, haben die Drehbuchautoren Dietl und Patrick Süßkind ("Das Parfüm") geschickt gewählt und kräftig dosiert. Der Filmstar Valerie (Gudrun Landgrebe), die im Rossini ihren 40. Geburtstag feiert, ist Zankobjekt ihrer beiden Liebhaber, Szenedichter Bodo Kriegnitz (Jan Josef Liefers) und Filmproduzent Oskar Reiter (Heiner Lauterbach). Reiter will zusammen mit Regisseur Uhu Zigeuner (Götz George) den Bestseller "Loreley" des Schriftstellers Jakob Windisch (Joachim Król) verfilmen. Dazu fehlt beiden aber noch die Unterschrift des menschenscheuen Dichters, der jeden Abend im Séparée speist, um die Kellnerin Seraphina (Martina Gedeck) zu becircen.

Restaurantchef Paolo Rossini (Mario Adorf) versucht, die Temperamente, die in seinem Laden hochkochen, einigermaßen diplomatisch zu besänftigen, verfällt dabei aber dem Sternchen Schneewittchen (Veronika Ferres), die rücksichtslos das Rossini aufmischt um an eine Filmkarriere zu kommen.

Dietl zaubert aus dieser Speisekarte ein Festessen hervor, einen Augenschmaus, der mit dem Privatleben von Filmstars so viel zu tun hat, wie Bioleks Fernsehküche mit dem Geschehen am eigenen Gasherd. Vergessen wir, daß Veronika Ferres Dietls Lebensgefährtin ist und er sie vor einigen Jahren selbst auf einem Fest kennengelernt hat; vergessen wir, daß Süßkind in der Figur des verklemmten Windisch angeblich sich selbst porträtiert: Die Scheiben des Rossini bieten keinen Durchblick für Neugierige, nein, sie spiegeln schlicht die guten alten Gesetze der Komödienkunst.

Aus der Gleichzeitigkeit des Geschehens, aus Situationskomik, zahllosen kleinen Mißgeschicken und Indiskretionen verwandelt "Rossini" die wenigen Stunden eines einzigen Abends in ein furioses Bacchanal. Am Morgen danach sind alle verkatert, die meisten angeschlagen und eine Person ist tot. Natürlich gehört Selbstironie zu der gelungenen Präsentation von "Rossini": Alle Filmgrößen pushen sich mit Mittelchen aus Dr. Gelbers (Armin Rohde) Arzttasche, nur bei der Filmjournalistin Charlotte Sanders (Hannelore Hoger) nützt keine Medizin, sie braucht Sex zur Migräneprävention.

"Rossini" präsentiert sein turbulentes Treiben als Inszenierung in der Inszenierung, schwelgt dazu genußvoll in falschem Pathos und bedient die Sehnsucht der Deutschen nach italienischer Lebensart. Dazu kommen treffende Dialoge und eine Kameraführung, die zu Beginn des Abends wie ein flinker Kellner die Gäste umkreist, zu vorgerückter Stunde, mit zunehmender Trunkenheit schwerfälliger wird und jedem der Stars seinen großen dramatischen Auftritt gönnt. In "Rossini" schaut man die Filmschickeria zwei Stunden lang gerne an, allzu ernstnehmen wird man sie dabei nicht. Und das ist gut so. Thomas Heinold

  Kritik aus den

Das Münchner Lokal "Romagna Antica" soll sich neuerdings großen Zulaufs erfreuen. Alle wollen mal schauen, wo Helmut Dietl und die Seinen den Stoff herholten für ihr kerzenerleuchtetes Melodram zwischen Austern, Champagner und Lasagne. A bissel was geht immer, hat schon der Monaco Franze gesagt, der ja auch irgendwie verschwägert war mit Leuten wie diesem Regisseur Uhu Zigeuner und dem Wirt Paolo Rossini, der dem Film seinen Namen gab.

Nur sind sie jetzt in den fortgeschrittenen Neunzigern nicht mehr so nett, die Figuren des Helmut Dietl, schlitzohrig schon und auf unangenehme Weise selbstverliebt. Bestimmt hat der Filmemacher zusammen mit seinem Drehbuchschreiber Patrick Süskind gründliche Eigenforschung betrieben, ehe er das Typen-Personal zur Besichtigung freigab. Wieviel Dietl etwa steckt in Götz George, der einen wackligen Künstler voller Chuzpe so wunderbar knautschig spielt, daß man mit diesem elenden Mannsbild doch bald Mitleid haben möchte.

Das war es eben. Ein Münchner Freundeskreis, der im "Rossini" verkehrt, sitzt förmlich auf dem Servierbrett und erlebt nach, was in der Wirklichkeit vorkommt und Dietl & Co. so oder ähnlich im Umgang miteinander als Stammgäste erfahren haben. Aber einmal sagt der kauzige Schriftsteller Jakob Windisch im Film sehr bestimmt: "Bitte keinen Realismus". Das möchte sich der Regisseur verbeten haben. An einem einzigen Sommerabend bündelt er die Ereignisse zu einer sarkastisch-melancholischen Revue der Pfauen, die ihre Gespielinnen bezirzen und hofhalten, als hätten sie die Welt im Griff.

Der Kameramann erfand dazu triefende Farben, beguckt sich den Verein oft von außen und hält sich an den Maskeraden fest. Hannelore Hoger zum Beispiel ist eine puderverklebte Reporterin mit schwarzer Brille, die unbedingt ihren Orgasmus haben will und dafür den Uhu schon mal bekochen würde. Überhaupt macht die Truppe viel her vom Sex, Bestätigung der schwindenden Manneskraft einerseits, Machtmittel der Dämchen andererseits. Dazwischen der Schönheitschirurg Gelber (Achim Rohde), der die Pülverchen verschafft und gewiß kein Beispiel fürs äußere Ebenmaß abgibt.

Mittendrin der Rossini in Gestalt Mario Adorfs, der da getrost auch einen Teil von sich selbst darstellt. Restaurantbesitzer mit Hang zum Musischen, devot bei seinen Spezln und arrogant zu Gästen, die einfach essen wollen. Helmut Dietl muß sich intensiv mit männlichen Lüsten befaßt haben, und Süskind verschaffte ihm luftig-intellektuelle Sprücherln dazu, dann weht auch noch ein Hauch Wondratschek durchs Lokal.

Dessen Lyrik ist Geschmackssache und kommt original, weil sich die rassige Valerie (Gudrun Landgrebe) nicht entscheiden kann, ob sie lieber mit dem Dichter oder mit dem Produzenten (als eitler Feilscher am rechten Platz: Heiner Lauterbach) schläft. So recht von Herzen kommt gar nichts, folglich nimmt es nicht wunder, daß der Tod aussieht wie bei Douglas Sirk. In ein Design aus schwarz und weiß mischt sich das rote Blut, wenn Valerie mit aufgeschnittenen Pulsadern in der Wanne liegt.

Der Regisseur meint, dies sei eine Sittenkomödie, nicht bayerisch. Götz George sprich Berlinerisch, aber das Schneewittchen (Veronica Ferres), das als Männertraum durchs Bild schwebt, könnte ein barocker Kirchenengel sein. Dort, wo es um Macht und Geld und die Verwirklichung der schönen Künste geht, ist der Film am aufrichtigsten. Jeder nimmt sich, was er kriegen kann, nur der störrische Autor, der seinen Loreley-Roman nicht verfilmen lassen will, bringt noch das altmodische Argument der Sprachverhunzung vor. Die Allzweckwaffe Joachim Krol taucht täppisch mit der Ohrenklappmütze auf: Komikerpart hoch drei.

Was nimmt der Betrachter vom "Rossini" mit nach Hause? Daß auch das arrivierte Leben ein reichlicher Schwindel ist und eine Menge menschlicher Wracks hinterläßt. Dietl würde sich hüten, Ausrufungszeichen zu setzen, lieber sitzt der zerzauste Uhu Zigeuner mit seiner weinenden Gattin in einer eher unfreiwilligen Umarmung zusammen. Die Kamera fährt weg, Seelenzerstörungen wirken von weitem. Die deutsche Schauspieler-Kino-Elite kann sich sehen lassen, und man darf auf sie auch stolz sein. Und doch: Aus dem Insider-Wesen des Films befreit sie keiner, er sprengt nicht die Grenzen zur großen menschlichen Komödie.

Patrick Süskind hat für den Spiegel einen verzwickten Werkstattbericht über seine Arbeit verfaßt. Darin heißt es: "Gelobt sei die Prosa, verflucht sei der Film als erzählerisches Medium." In der Überspitzung steckt manche Wahrheit. INGE RAUH

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