NZ-Gespräch mit Helmut Dietl über den Film"Rossini"
". . . was heißt denn Schickeria?"

Ist Helmut Dietls zweiter Kinofilm "Rossini oder die mörderische Frage, wer mit wem schlief", das "Who is Who" der Münchner Filmszene? Der Regisseur selbst weist das mit Nachdruck zurück. Und das Wort Schickeria scheint für den Münchner gar ein Schimpfwort zu sein.

NZ: Regisseure wie Schlöndorff haben sich der ambitionierten Literaturverfilmung verschrieben, die jüngeren dem Zeitgeist. Was ist Ihr Gebiet?

DIETL: Ich ordne mich überhaupt nicht ein. Das ist nicht meine Aufgabe.

Dennoch distanzieren Sie sich von den deutschen Komödien der 90er Jahre doch ziemlich strikt.

Meine Filme sind anders. Ich sage immer, eine wirkliche Komödie braucht eine Reihe Bestandteile. Es reicht nicht allein, wenn es etwas zum Ablachen gibt wie in diesen von jüngeren Kollegen als Komödie apostrophierten Filmen, die für mich eher Klamotten sind. Ohne jemanden diffamieren zu wollen, ich halte sie für äußerst altmodisch. In ihrer Wirkung und Banalität sind sie aus den 60ern herübergeholt. Ich sehe darin auch keine wirklichen Menschen, sondern oft nur Pappkameraden in irgendwelchen mechanistischen Verwicklungen.

Benutzen Sie für "Rossini" die Bezeichnung Melodramödie vielleicht auch deswegen, um sich zu unterscheiden?

Dieses Wort habe ich mal im Scherz erfunden. Ich meine damit, daß eine wirkliche Komödie dramatisch und melodramatisch, tragisch und sentimental und auch komisch und ironisch sein muß. Komisch allein reicht nicht.

Man hat aufgrund der Charaktere den Eindruck, daß Sie mit "Rossini" wieder an Ihren großen Fernseherfolg, den vor "Schtonk" entstandenen Mehrteiler "Kir Royal" anknüpfen wollen.

Ich finde das nicht, aber dieses Etikett "Kir Royal" ist mir irgendwann einmal angepappt worden. Sowie eine bestimmte Gesellschaft vorkommt, will kein Mensch mehr differenzieren. Für mich unterscheidet sich "Rossini" ganz grundlegend von "Kir Royal", obwohl ich auch weiß, daß ich letztlich immer die selben Dinge mache.

Nämlich Geschichten über die Schickeria erzählen.

Sehen Sie, das ist auch so ein Quatsch, was heißt denn Schickeria? Mein Film spielt im Filmmilieu. Warum ist das Schickeria? Wie kommt man dazu? Was meinen Sie denn überhaupt mit Schickeria? Bei diesem Begriff bleibt immer nur das abwertende Moment übrig, das ist mir zu einfach.

Worin besteht nun der grundlegende Unterschied zwischen "Rossini" und "Kir Royal"?

Die Sachen in "Rossini" handeln von allgemein menschlichen Verhaltensweisen, von Problemen um Liebe, Leidenschaft, Tod. Von Geld, Macht, Illusionen und Vergänglichkeit. Das ist halt festgemacht an einem Milieu, das ich besser kenne als was anderes. Und in "Kir Royal" habe ich das, was Sie Schickeria nennen, zum Thema erhoben.

In "Rossini" sind Sie Ihrem Metier nahe wie nie zuvor, wieviel alter ego steckt darin?

Jeder Film ist immer über sich selber. Das hat Faulkner schon gesagt: Jeder schreibt über sich. Oder Flaubert: "Madame Bovary c'est moi." Selbst Woody Allen macht dauernd was über sich selbst. Über was soll ein Künstler eigentlich sonst etwas machen? Aber es hat nichts mit unmittelbar Biographischem zu tun, sondern mit Erfahrungen, die dann in verschiedenen Camouflagen daherkommen.

Und wer aus der Münchner Filmszene tritt in welcher Verkleidung in Ihrem Film in Erscheinung?

Selbstverständlich hat die Figur des Regisseurs partielle Eigenschaften von mir, dennoch ist Götz George kein Abbild von mir. Oder die Produzentenfigur: Die hat natürlich zum Teil Züge vom Eichinger, ist aber kein Porträt von ihm. Andere haben dafür überhaupt keine Ähnlichkeit mit irgendjemandem. Mit keiner konkreten Person. Auch für mich nicht, weil in die Figuren Eigenschaften von vielen Personen eingeflossen sind, die man gar nicht mehr auseinanderpflücken kann.

NZ-Mitarbeiterin Sabine Spindler unterhielt sich mit dem Regisseur.

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