Rattenwelt in Cinemascope
Die Augsburger Puppenkiste hat „Monty Spinnerratz“
in New York fürs Kino aufbereitet

Kritik aus der

Urmel, Jim Knopf und Emma, die Lokomotive; ein zottiger Löwe mit gutmütig brummender Stimme und der kleine König Kalle Wirsch; vor allem aber das Meer aus Plastikfolie – wenn sie von unsichtbaren Kräften bewegt wurde, liefen kleine schimmernde Wellen darüber. Es genügt, die aus Brettern gezimmerte Kiste zu sehen und eine Fülle von Erinnerungen wird wach, an Kindernachmittage vor dem Fernsehgerät, gegen die auch besorgte Eltern keinen Einwand erhoben: Die „Augsburger Puppenkiste“ hat die Zeit überdauert.

Jetzt hat sich das berühmte Puppentheater erstmals nach Amerika aufgemacht und dort seinen ersten Film für die große Leinwand gedreht: „Monty Spinneratz“ (Regie: Michael Huse). Darin werden die Ratten, die in der Kanalisation von New York hausen und mit ihren Aufräumarbeiten dafür sorgen, daß das Wasser fließt, von dem geldgierigen Unternehmer Mr. Dollart bedroht, der ein unterirdisches Parkhaus errichten möchte. Schlau, mutig und politisch superkorrekt beginnt sich das Rattenvolk zu wehren und kann dabei nicht nur seinen in Menschenkreisen schlechten Ruf korrigieren, sondern auch noch für das ökologische Gleichgewicht kämpfen.

Zum ersten Mal kriegen es die Marionetten hier mit richtigen Menschen zu tun (darunter Lauren Hutton als Galeristin und Beverly d'Angelo als schrille Blondine). Das anachronistische Flair hat sich die Puppenkiste allerdings bewußt bewahrt: Neben den sichtbaren Fäden und der liebevollen Gestaltung der Puppen gehört dazu auch deren charakteristische Fortbewegung, irgenwo zwischen Hüpfen und Schweben.

Und trotzdem glückt der Ausflug auf die Leinwand nicht. Zu ungeschickt ist die Handlung aufgebaut, zu komplex als Spiegel für die Zustände unter den Menschen ist die Welt der Ratten angelegt, zu oft richtet sich der Witz an die größeren Zuschauer. Daß sich das soziale Gefälle unter den Ratten als ebenso streng erweist wie bei den Menschen und Mutter Nobelratz, der Sinne beraubt, fast zwischen die Parfümflakons fällt, weil sich ihre Tochter Isabella ausgerechnet mit dem Habenichts Monty einläßt, dürfte für die lieben Kleinen nicht viel komischer sein als die Verwechslung von „prähysterisch“ und „prähistorisch“.

Wenn sich nach 90 Minuten die berühmte Kiste wieder schließt, hat man diesmal zwar ein echtes Meer gesehen, aber wahrscheinlich wäre das aus Plastik letztlich mehr gewesen. Wir warten, unverdrossen. ta

  Kritik aus den

Ein Auftritt in Cinemascope unter den Fittichen der Warner Bros., von dergleichen hat Baby Huber, das Klavier spielende Schwein in „Die Katze mit Hut“ immer geträumt. Jetzt ist aus einem selbstironischen Gag Wirklichkeit geworden: Die Augsburger Puppenkiste hat Kinopremiere, und Monty Spinnerratz, die titelgebende New Yorker Kanalratte, darf auf Breitwand die (Ratten-)Welt retten. Bitter für Baby Huber.

Und schmerzlich für alle, denen die unvergleichlichen Fernsehproduktionen des Marionettentheaters unter der Leitung von Hannelore Marschall-Oehmichen ans Herz gewachsen sind: keine flatternden Zellophan-Gewässer mehr, dafür „realistischer“ Kokolores und lebendige Menschen, Krampf statt Charme.

So hüpft also Monty Spinnerratz durch ein richtig nasses, dreckiges Kanalsystem unter dem Asphalt von Manhattan und verliebt sich über alle Klassenschranken hinweg in die Präsidententochter Isabella Nobelratz. Dort im Untergrund gibt es nämlich außer einem ermüdend parlierenden „Kanaligator“ nur Ratten mit unterschiedlichem Sozialprestige. Das Geld, das durch die Kanaldeckel fällt, scheint den Ton anzugeben. Aber das macht ja bekanntlich nicht glücklich, und gegen das Gift, das in der dümmlichen Realfilmhandlung ein Stockwerk höher verspritzt wird, hilft es auch nicht. Zum Glück hat Monty von seiner weltreisenden Schiffsrattentante magische Muscheln bekommen. In einer digital aufgemotzten Indiana-Jones-Expedition erringt er das Kräutlein, das die Ratten rettet.

Vom pfiffigen Erzählstil, den oft bizarren Einfällen und schrulligen Figuren der Augsburger ist kaum was übrig. Mit Marionetten Kinoklischees nachzuspielen ist langweilig und überflüssig. wu

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