Traurige Figuren am Tresen
. . . liebevoll porträtiert von Steve Buscemi: "Trees Lounge"

Der schicke Name kann nicht darüber hinwegtäuschen: Das "Trees Lounge" ist nur eine ziemlich heruntergekommene Kleinstadt-Kneipe. New York ist nah und doch Lichtjahre entfernt. Am Tresen sitzt, tagein, tagaus, reglos und mit starrem Blick eine verwitterte Gestalt: Bill, der Korea-Veteran. Nur wenn er der Kellnerin den Wink gibt, sein Whisky-Glas aufzufüllen, und zwar bis zum Rand, kommt etwas Bewegung in seinen Körper. Eine scheinbar zu Minuten gedehnte, ziemlich beklemmende Einstellung lang hält die Kamera die Szene fast. Danach ist jedes Wort, jede Erklärung zu Bill überflüssig geworden.

Kneipen als Mikrokosmos, in dessen Halbdunkel man versinken und manche Enttäuschung wegtrinken kann, bilden im amerikanischen Kino jenseits von Hollywood fast schon ein eigenes Genre, das dennoch unerschöpflich ist, wenn man sich ihm mit so sensiblem Blick und unprätentiösem Stil nähert wie Steve Buscemi. Der zum Star des Independent-Kinos aufgestiegene Buscemi ist in "Trees Lounge" erstmals Darsteller, Autor und Regisseur in einem. Nicht das Schräge und schwarzhumorig Skurrile seiner bisherigen Rollen (in "Pulp Fiction" oder "Fargo"), sondern das ganz alltägliche Scheitern ist Wesensmerkmal seines Protagonisten Tommy, dem einfach alles zu mißlingen scheint: der Job als Automechaniker ebenso wie das Glücksspiel, die langjährige Beziehung zu seiner Freundin ebenso wie die mäßig originellen Abschleppversuche weiblicher Bargäste. Als er den Eiswagen von Onkel Al übernimmt, versagt er nicht nur bei den Kindern - ein mehrfach dollarschwenkend am Straßenrand stehender Junge wird von Tommy permanent übersehen -, sondern auch in der Affäre mit der 17jährigen Debbie (Chloe Sevigny aus dem Film "Kids"), mit deren Gefühlen er nicht umzugehen weiß.

Mehr noch als durch Seymour Cassels Kurzauftritt verweist der 38jährige Buscemi im tragikomischen Grundton, in der authentischen Atmosphäre, in der Nähe zu seinen Figuren und der scheinbar willkürlichen Wahl der Bildausschnitte auf sein Vorbild John Cassavetes.

Am Ende sitzt Tommy wieder mal am Tresen von "Trees Lounge", zum ersten Mal aber auf dem Platz von Bill; eine scheinbar zu Minuten gedehnte, ziemlich traurige Einstellung lang. ta

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