Dokumentation über den Tod dreier Schüler
Chronik der verlorenen Wünsche

Der Dokumentarfilmer Andres Veiel bittet vor laufender Kamera seine ehemaligen Schulkameraden, ein recht turbulent geratenes Klassenfoto nachzustellen. Die damals spontane Gestik 17jähriger Gymnasiasten gerät den Mittdreißigern von heute zum bemühten Arrangement. Auf dem neuen Bild fehlen drei Kameraden. Rudi, Tilman und Thilo sind nicht alt geworden, vielleicht nicht einmal "erwachsen"; nur 25 bzw. 30 Jahre haben sie gelebt. Dann haben sie sich umgebracht.

Veiel hat seinen Dokumentarfilm den Toten gewidmet, doch sein Titel gilt den Hinterbliebenen: "Die Überlebenden". Eltern, Geschwister, Freunde und Lehrer geben Auskunft über Leben und Sterben dreier Menschen des Jahrganges 1960 aus dem schwäbischen Mittelstand. Schnell schälen sich bei aller Wesensverschiedenheit Gemeinsamkeiten heraus: Der Kampf gegen das Wunschdenken der Eltern, die Ablehnung des saturierten Mittelstandes, das mühsame Anpassen an berufliche und private Sachzwänge. Aber bald erreichen die Biographien den Punkt, wo die Puzzleteile sich nicht mehr zusammenfügen wollen, wo Denken und Handeln jedes einzelnen sich im Bereich der Spekulation verflüchtigen. War Rudi homosexuell? Starb Tilman durch Leichtsinn? Warum wählte Thilo einen so qualvollen Tod?

Veiel selbst enthält sich eigener Kommentare, doch legt sein Arrangement der drei Lebensfragmente eine Spur: Eingebettet in Thilos Lebenslauf, einem ausführlich dokumentiertem Kampf zwischen verlorenen Wünschen und scheiternden Ansprüchen, finden sich die knappen und mysteriösen Leben und Tode seiner Freunde wie die Puppe in der Puppe. So drängt sich dem Betrachter im Laufe des Films eine Eigendynamik im Entstehen zu beobachten, einen verhängnisvollen Sog, der einen nach dem anderen ins frühe Grab reißt.

Und die Überlebenden? Die Eltern klammern sich an Unfallhypothesen, um die Illusion ihrer Mustersöhne zu erhalten, die Freunde haben ihre Nischen gefunden: Andres Veiel hat sie an ihren Arbeitsplätzen aufgesucht. Ob Bauer, Chirurg oder Seelsorger: Sie alle wirken in ihrem Aussehen und Benehmen fast klischeehaft berufstypisch. Das also wäre die Alternative gewesen. Reika

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