Ein Terrorist in New York
Kritik aus der

„Das ist keine amerikanische Geschichte, sondern eine irische“, sagt Frankie McGuire (Brad Pitt) in einer Szene in Alan J. Pakulas Thriller „Vertrauter Feind“ und er fügt ernsthaft hinzu: „Ohne Happy-end“. Thematisch mag der junge IRA-Kämpfer recht haben, für die filmische Umsetzung jedoch trifft dieser Satz nicht zu. Denn da bleibt der US-Regisseur Pakula ganz dem amerikanischen Kino verhaftet mit den typischen Elementen wie dem Motiv einer unausgesprochenen, ambivalenten Männerfreundschaft, der Beziehung zwischen einem Killer und einem Cop, rasanten Verfolgungsjagden und blutigem Kugelhagel, eingebettet in die eher untypische Nordirland-Problematik: Polizeidrama, Politthriller und ein klein wenig psychologischer Hintergrund in einem.

„Vertrauter Feind“ ist also ein typisch amerikanischer Film, der zwar recht unterhaltend, mitunter spannend und an wenigen stellen auch witzig ist, im Großen und Ganzen doch genreüblich berechenbar und konstruiert bleibt. Allein die angerissene psychologische Komponente verleiht dem seichten Thriller doch eine tiefere Bedeutung: Vor Beginn der eigentlichen Handlung zeigt der Regisseur eine harmlose Familienszene zu Beginn der 70er Jahre in Nordirland, die jedoch jäh unterbrochen wird, als der Vater von einem maskierten Killer direkt beim Abendgebet kaltblütig erschossen wird. Der achtjährige Sohn ist Augenzeuge, dieses Erlebnis wird für das Kind zum Trauma.

Zwanzig Jahre später macht der erwachsene Frankie McGuire seine persönliche Geschichte zu einer politischen. Er will den Tod des Vaters rächen und wird zu einem der meistgesuchten IRA-Terroristen, der nach New York flüchtet, um dort für die IRA auf dem Schwarzmarkt Stinger-Raketen zu kaufen. Unter falschem Namen mietet er sich bei dem gerechtigkeitsliebenden und arglosen irischstämmigen Polizisten Tom O'Meara (Harrison Ford) ein und die Geschichte vom Biedermann und dem Brandstifter unter einem gemeinsamen Dach beginnen.

Als Gangster zu brav

Die Doppelrolle des harmlosen Immigranten und kaltblütigen Killers nimmt man Brad Pitt freilich schwer ab. Für die erstere, nettere Funktion scheint der Schauspieler gerade noch zu taugen, für die verwegene und clevere Persönlichkeit eines IRA-Terroristen aber bleibt er zu sehr Brad Pitt und somit viel zu angepaßt und blaß. Da wirkt auch sein schneller Griff zur Waffe nicht schlimmer als ein böser Jungenstreich.

  Kritik aus den

Nordirland im Film, das heißt in den meisten Fällen: Ein brutaler Kampf für eine gerechte Sache, die enge Verbindung zwischen Gut und Böse, die den Helden in Entscheidungsnot bringt. Regisseur Alan J. Pakula hält im Prinzip an diesem Strickmuster fest, wollte aber mehr daraus machen und verlegt den Konflikt aus Belfast nach New York. Ein geschickter Coup, fast so raffiniert wie sein IRA-Kämpfer Frankie McGuire, der „Vertraute Feind“.

Denn entfernt vom irischen Kugelhagel schafft sich Pakula Freiraum, um eine ganz andere Geschichte zu erzählen: Von einer komplizierten Freundschaft und Vater-Sohn-Beziehung, die sich zwischen dem IRA-Aktivisten (Brad Pitt) und dem braven Polizisten Tom O'Meara (Harrison Ford) entwickelt. Dazwischen Verfolgungsjagden in New York, erpresserische Waffenhändler und ein bißchen Liebe – alles, was ein guter Film braucht.

Frankie kommt unter dem Decknamen Rory Devaney nach New York, um für den irisch-republikanischen Widerstand Raketen zu besorgen, die er mit einem altersschwachen Fischkutter nach Irland bringen will. Er wird von einem Richter und IRA-Sympathisanten bei Tom untergebracht, der vom Doppelleben seines Untermieters nichts ahnt. Der irischstämmige Polizist verfolgt weiterhin kleine Diebe und sorgt nach seinen hohen Moralvorstellungen für Recht und Ordnung. Rory behandelt er wie einen Sohn. Erst als Tom und seine Familie Opfer eines Überfalls werden, dämmert ihm, daß Rory kein harmloser Auswanderer ist.

Die interessante Story wurde jedoch in „Vertrauter Feind“ den Stars geopfert. Schönling Brad Pitt muß vor allem gut aussehen, die Kamera ruht immer wieder minutenlang auf seinem glatten Gesicht, das die Zerrissenheit dieses Mannes, der als Kind den Mord an seinem Vater mitansehen mußte, nur selten zeigt. Die Lüge, die er seinem Gastgeber auftischt, glaubt man dem Mädchen-Idol eher: „Ich versuche, meinen kleinen Arsch da herauszuhalten“.

Pitt darf stets cool in schicker Lederkluft daherschlendern, zur Arbeit auf dem Bau oder zur Abrechnung mit dem Waffenschieber. Selbst wenn er aus einem Versteck im Fußboden kriecht, wirkt seine Mähne stets durchgestylt.

Harrison Ford spielt dagegen überzeugend den braven Cop, der aus Gewissensbissen den Dienst quittieren will, als sein Kollege einen flüchtenden Dieb niederschießt. „Du bis ein guter Mensch“ meint Rory zu ihm. Seine Antwort: „Aber ein Polizist.“ Die Moral des Gesetzeshüters siegt, aus dem Freund wird ein Verfolger des Untergrundkämpfers, wenn auch ein verständnisvoller: „Ich will ihn nicht töten wie die anderen, bloß festnehmen.“ Daß es für einen IRA-Terroristen kein Entweder–Oder gibt, kann er in seiner heilen amerikanischen Welt nicht begreifen.

Spannend ist der Film allemal, auch wenn langatmige Szenen zur Erfüllung des Iren-Klischees die Geduld der Zuschauer auf die Probe stellen: Alle Kinder sind rothaarig, und bei der Familienfeier werden Volkstänze aufgeführt. „Vertrauter Feind“ ist eine irische Geschichte, auf amerikanisch erzählt. Bei allen Zugeständnissen an Hollywood, eines hat sich Pakula denn doch verkniffen: Ein Happy End gibt es nicht. Katharina Erlenwein

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