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Vorsicht! Dieser Film
bricht ein Tabu. Denn das, was hier (nicht nur)
geküßt wird, sind Leichen. Die kanadische
Regisseurin Lynne Stopkewich erzählt von der
außergewöhnlichen Leidenschaft der jungen
Sandra (Molly Parker), die schon als Kind vom Tod
angezogen wird. Später kann sie diese
Faszination als Angestellte in einem
Leichenschauhaus ausleben. Der Umgang mit den
Toten, die sie einbalsamiert, erhält einen
erotischen Aspekt. Als der Medizinstudent Matt
(Peter Outerbridge) sich in Sandra verliebt und
von ihrer merkwürdigen Obsession erfährt,
versucht er, ihre Nekrophilie zu verstehen und zu
teilen. Doch bald muß er begreifen, daß es nur
einen Weg zur Erfüllung ihrer Beziehung gibt.
Der Film Kissed
führt mit dieser erstaunlichen, in ihrer
Entwicklung ungewöhnlich konsequenten Geschichte
direkt an die Grenze des Zeig- und Zuschaubaren.
Er erzählt von der Verbindung von Eros und
Thanatos, Liebe und Tod, ohne sich die ebenso
verzerrende wie schützende Maske des Horrors
aufzusetzen. Die Leichen, die Sandra berührt,
haben nichts Schreckliches an sich. Das Grauen,
das sich in manchen Szenen einstellt, kommt von
der Vergewaltigung der Körper beim
Akt des Sezierens oder Einbalsamierens.
Sandra dagegen geht es weniger
um eine physische denn um eine spirituelle
Erfahrung beim (Sexual-)Kontakt mit den Toten.
Wenn du stirbst, leichtet dein Leben noch
einmal auf, sagt sie. Ich habe
Leichen gesehen, die wie Sterne funkelten.
Obwohl Kissed sich vor der letzten
Grenze des Darstellbaren in das Poetische
zurückzieht, bleibt er eine verstörende
Erfahrung. Wohl nicht viele Zuschauer werden sich
ihr aussetzen wollen. afra
Die Neigung zum Tod wird für Sandra (Molly
Parker) zur Leidenschaft. Hier küßt sie Matt
(Peter Outerbridge).
Foto: Kinowelt
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