Keimfreie Liebe
Hemingways Affäre mit
einer Krankenschwester

Sie hieß Agnes. Agnes von Kurowsky. Kaum hat Hemingway sie kennengelernt, sagt er schon, daß er sie liebt. Und macht ihr gleich einen Heiratsantrag. Agnes ist geschmeichelt. Aber sie weiß, wie man mit Männern umgeht. Sie ist Krankenschwester. Und Hemingway hat, wie sie erkennt, nur im Fieber geredet. Krank liegt er vor ihr. Eine Granate hat ihn am Bein getroffen. Wundbrand macht sich breit. Das Bein muß amputiert werden, sagt der Arzt. Aber Schwester Agnes gibt nicht so leicht auf. Sie wird das Bein retten. Und Hemingway lieben. Der Krieg, so schrecklich er ist, macht diese Liebe erst möglich. Ihr eigentlicher Feind wird der Frieden sein.

Agnes von Kurowsky braucht man nicht zu kennen. Sie war die erste Affäre im Leben des Ernest Hemingway. Dieser hatte sich, kaum erwachsen, freiwillig zum Kriegsdienst gemeldet und kam 1918 zum Roten Kreuz nach Norditalien. Bald verletzt, bald verliebt, sammelte Hemingway die existenziellen Erfahrungen, die ihm bislang gefehlt hatten, und wurde darüber zum Schriftsteller. „In einem anderen Land“ (1929), einer seiner besten Romane, blickt zurück auf diese Zeit. Mit der grimmigen Konsequenz einer griechischen Tragödie wird darin vorgeführt, wie klein alles Menschenglück bleiben muß und wie kurz. Weil Tränen tabu sind, weint für den Helden der Himmel. Das Weh steckt zwischen den Zeilen und braucht keine eigenen Worte.

Wie sich Richard Attenborough in seinem neuen Film „In Love and War“ dem Menschen Hemingway nähert, wirkt deshalb wie ein Verrat am Künstler Hemingway: zwei Stunden zähes Gefühlskino, ein Schmachtfetzen der altmodischen Art, in dem jede Regung formuliert und musikalisch abgefedert werden muß. Wo Heming way skizziert, greift Attenborough zum dicken Pinsel. Er ist der Historienmaler des englischen Kinos und als solcher nicht unbedingt inspiriert. Der Krieg liefert ihm Bomben, Blut und Bandagen – und bleibt doch ein blasser Hintergrund, der den Betrachter nicht hineinzieht. Die Liebe bringt begehrliche Blicke und eine Nacht im Bordell – und erfüllt doch nur die Bedingungen eines beliebigen Groschenromans: Schwester Agnes oder Leidenschaft im Lazarett. „Ich werde dich lieben“, sagt sie zum Schluß, „solange ich leben.“

Einigermaßen eindimensional muß Chris O'Donnell den jungen Hemingway als blauäugigen Springinsfeld mimen, hitz- und kindsköpfig, ein Amerikaner auf Abenteuerurlaub. Sandra Bullock als Agnes blinzelt scheu aus der strahlenden Tracht und wirkt, als hätte sie meist Kopfschmerzen oder auch sonst Probleme beim Denken. Sie braucht entsprechend lang, um sich zwischen Hemingway und ihrem Oberarzt zu entscheiden: bis es zu spät ist. lupus

 

Kein Happy-End: Sandra Bullock und Chris O'Donnell. Foto: Constantin

Die Kombination von Kriegselend, Blut und Tod mit einer unglückseligen Romanze sorgt im Normalfall auch beim hartgesottensten Kinogänger für unkontrollierbare Gefühlsaufwallungen. Als Handlungsort bietet sich ein – immer wieder gerne gewähltes – Lazarett an. So ein Ort der Apokalypse ist es auch, an dem der junge Kriegsfreiwillige Ernest Hemingway die sieben Jahre ältere Krankenschwester Agnes kennen und lieben lernt.

Sie rettet sein vom Wundbrand befallenes Bein und verletzt sein liebestrunkenes Herz. Unterschwellig suggeriert „In Love and War“, daß die kurze leidenschaftliche Begegnung von Ernest und Agnes hinter der österreichisch-italienischen Front letztlich der emotionale Auslöser für Hemingways spätere Karriere als Literat und exzentrischer Trunkenbold war.

Ein Kriegskamerad des weltberühmten Schriftstellers veröffentlichte die authentische, im Grunde reichlich banale Begegnung vom draufgängerischen US-Boy und idealistischer Rot-Kreuz-Schwester. Beim Versuch, einen italienischen Soldaten zu retten, wird Hemingway (Chris O'Donell) verwundet und landet auf der Station der attraktiven Agnes (Sandra Bullock). Er verliebt sich unsterblich in diese Frau, wird mit einem ausgelassenen Picknick und einer Liebesnacht kurz vor dem Abschied belohnt, steht am Ende aber gekränkt und allein da. Kein Happy-End also, und der Rest ist Geschichte: Der amerikanische Patient schreibt sich fortan Sehnsucht und Enttäuschung von der Seele.

Verantwortlich für dieses keimfrei inszenierte, eindimensionale Kinowerk ist Regie-Altmeister Richard Attenborough (Foto), der nahezu jede Geschichte adäquat erzählen kann. Vorausgesetzt natürlich, er hat eine. „In Love and War“ fehlt es aber weitgehend an Substanz, und so humpelt Attenboroughs Inszenierung wie der beinverletzte Hemingway ohne Originalität und ohne Überraschung auf den Abspann zu. Einzig die sensible, zurückhaltende Darstellung Sandra Bullocks verleiht dem Film zuweilen die emotionale Tiefe, die Story und Regie sonst nur behaupten. Der seltene Fall eines Streifens, dem etwas mehr Sentimentalität nicht geschadet hätte. mime

Informationen zu Anfangszeiten in den Kinos

zurück zur Titelseite

© NORDBAYERN INFONET