A Du hast eine schöne
Stimme. Schade, daß sie eingesperrt
ist. Aufgewachsen im
Dienstbotentrakt eines Palastes,
durchstreift die Sängerin Alia Mitte der
60er die Stätte ihrer Kindheit, von der
sie zehn Jahre zuvor mit dem Lehrer Lofti
floh. Hinter jeder Tür, in jedem
vergessenen Winkel, jeder Treppenflucht
lauert die Erinnerung: an das Geplänkel
und Geplapper der Frauen beim Kochen und
Waschen. An die väterliche Art der Beys,
denen die Frauen dienten. An die Feste,
bei denen ihre Mutter als Bauchtänzerin
auftrat. Und immer wieder die
unbeantwortete Frage Wer ist mein
Vater?
Die tunesische
Regisseurin Moufida Tlatli zeichnet im
Palast des Schweigens das
Bild einer patriarchisch-feudalen
Gesellschaft nach. Ein Hort sexueller
Ausbeutung, eine Stätte des Schweigens.
Ein geschlossenes System, das nichts
Außenstehendes an sich heran läßt.
Parallel zu Alias zögerlichem Streifzug
durch die Vergangenheit wechselt die
Regisseurin die Zeitebenen. Dabei wird
deutlich, wie verwoben die
Frauenschicksale doch eigentlich sind.
Die Unterwerfung unter den Willen der
Männer, Abtreibungen, Schweigen. Unter
der Last der Erinnerung holt Alia die
Geschichte ihrer Mutter ein. Im Beruf der
Sängerin gescheitert, ihr Leben
eine Folge von Abtreibungen.
Wie das Leben der
Frauen gewinnt auch der Film durch die
Musik Fröhlichkeit zurück. Der Gesang
in der Gemeinschaft, der berauschende
Gesang Alias als Flucht vor dem Kummer.
Unser ganzes Leben ist eine
Ausgangssperre. Die Musik als ein
Stück Freiheit und Farbigkeit in den
Mauern des Palastes. Moufida Tlatli
kratzt mit ihrem Film an morschen
Traditionen und gibt sich dabei immer
wieder der Sinnlichkeit des Augenblicks
hin. Sie verzaubert den Zuschauer mit
einer berauschenden Ästhetik, um ihm im
nächsten Augenblick den Kummer und die
Trostlosigkeit vor Augen zu halten. Durch
den Verzicht auf Synchronisation gewinnt
der Film dabei zusätzlich an
Eindringlichkeit. So schön und doch so
fremd der Palast, in dem es nur
eine Regel gibt: Schweigen. vg
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