Ohne Ecken und Kanten
Flach: „One Night Stand“
Der erfolgreiche Werbefilmer und glückliche Familienvater Max (Wesley Snipes) fliegt von Los Angeles nach New York, um dort seinen Freund und Ex-Partner Charlie (Robert Downey jr.) zu besuchen. Die Reise wird zur Konfrontation mit Krankheit und Tod: Charlie, den Max seit einem Streit vor fünf Jahren nicht mehr gesehen hat, ist HIV-positiv. Als eine Reihe von Zu- und Unfällen Max mit der schönen, ebenfalls verheirateten Karen nach „Ein Vater zuviel“ (ein weiterer Comeback-Versuch für Nastassja Kinski) in einem Hotelzimmer zusammenführt, kommt es zu einer leidenschaftlichen Liebesnacht, die sein Leben plötzlich in einem ganz anderen Licht erscheinen läßt.

„One Night Stand“, Mike Figgis' erster Film seit seinem großen Erfolg „Leaving Las Vegas“, beginnt vielversprechend: In atmosphärisch dichten Bildern fängt er den hektischen Rhythmus der Metropole ein, baut ökonomisch und präzise die Beziehung zwischen Max und Karen auf, die in einer sehr sinnlichen, aber nicht spekulativen Liebesszene kulminiert und kontrastiert scharf New York und Los Angeles, echtes Gefühl und glatte Oberflächlichkeit, Karen und Max' Ehefrau Mimi (Ming-Na Wen). Doch dann verflacht die Geschichte, die Figgis nach einer Drehbuch-Vorlage von Joe Eszterhas (er zog wegen der Veränderungen, die der Regisseur vornahm, seinen Namen zurück) entwickelte. Wesley Snipes, erstaunlicherweise in Venedig mit einem Darstellerpreis bedacht, kann Max' Krise, seine Angst, das Wesentliche zu verpassen, die Unzufriedenheit mit der Seichtheit seines Lebens nur in oberflächlichen Gesten vermitteln. Seinem Spiel fehlen Tiefe und Intensität.

Der Film scheint auf einen Höhepunkt zuzusteuern, als Max ein Jahr später am Sterbebett seines Freundes überraschend wieder auf Karen trifft. Sie entpuppt sich als die Ehefrau von Charlies langweiligem Bruder Vernon (Kyle MacLachlan). Man wartet auf die große Konfrontation, die den Helden zur Entscheidung zwingt, aber Figgis verweigert sie. Sein Film pendelt unentschlossen zwischen Drama und Komödie, erweist sich als ecken- und kantenloses Konstrukt, in dem auch Multikultur und Aids-Tod nur ein modischer Ausdruck des Zeitgeistes sind, und findet am Ende im Partnertausch eine saubere, symmetrische Lösung. Dieser „One Night Stand“ läßt den Zuschauer mit einer Frage zurück: Wie kann ein Film, der sich gegen die Oberflächlichkeit wendet, selbst so oberflächlich sein? (ATLANTIK, CINECITTA) afra

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