Liebe auf Umwegen
Antonious deutsch-griechischer Film „Verspielte Nächte“

Der Film war eigentlich längst überfällig: Zwei Schwestern, Töchter eines ehemaligen griechischen Gastarbeiters in Deutschland, gehen getrennte Wege. Maria (Vicky Volioti) bleibt bei ihrem Vater in der alten Heimat Griechenland, Helena (Jasmin Tabatabai) kehrt nach Deutschland zurück. Nach dem Tod des Vaters kommt Maria unangemeldet nach Berlin und der Moment des überraschenden Wiedersehens bildet die beste Szene in Angeliki Antonious Film „Verspielte Nächte“, weil sie die Problematik des ungleichen Schwesternpaares so drastisch und scharf skizziert vorwegnimmt: Die ruhige, griechisch-traditionell erzogene Maria, die mit verstörtem und naiven Blick in das Großstadtleben mit Alkoholkonsum und Spielsucht ihrer Schwester einbricht, und sie am Ende mit Gelassenheit und Pragmatismus wohl aus dem Milieu der Berliner Halbwelt rettet.

Dieser positive Ausklang wird dem Film denn auch fast zum Verhängnis: Die Spielsucht der Schwester bleibt eine Randerscheinung, der Weg aus der Abhängigkeit erfolgt zu reibungslos und unproblematisch, Helenas Traum von einer Karriere als Tänzerin steht schlagartig nichts mehr im Weg. Aber der rosa gefärbte Schluß ist gottlob nur das einzige Defizit in dieser sympathischen Produktion. Denn man merkt, daß die Regisseurin, die in Griechenland aufwuchs und jetzt in Berlin lebt, weiß, wovon sie erzählt.

Die Filmemacherin hält die verschiedenen Kulturkreise in sehr schönen und authentischen Bildern fest: Die Idylle der vornehmlich bei Tageslicht gedrehten Panorama-Aufnahmen der griechischen Insel kontra stiert Antoniou geschickt mit der Enge und der klaustrophischen Atmosphäre des Berliner Nachtlebens. Auch die Figurenführung bleibt trotz oder gerade wegen ihrer Klischeehaftigkeit stimmig und glaubwürdig, was nicht zuletzt den beiden Schauspielerinnen selbst anzurechnen ist: Vicky Volioti überzeugt als zugeknöpfte, ganz in Schwarz gekleidete, griechisch-strenge Schönheit und Jasmin Tabatabai glänzt in der Rolle, die sie seit Katja von Garniers Film „Bandits“ am besten beherrscht, einer schnoddrig frechen Großstadtgöre, hinter deren cooler Fassade sich die Sehnsucht nach Liebe und Identität verbirgt. Denn endlich wird im deutschen Kino wieder einmal Identitätssuche und Entwurzelung der Gastarbeiterkinder in zweiter Generation thematisiert: Und da ist Antonious Film allemal besser als gar keiner.

(CASABLANCA) sc

 

Kein Spielfilm aus Berlin ohne Baustellenbummel. Bombastisch, beliebig und schwer symbolisch, aber immerhin eine Abwechslung zum Dauerschauplatz Kiez, wo sich der Moloch Großstadt in Kellerlöchern demaskiert. Der Griechin Angeliki Antoniou, Absolventin der Berliner Filmhochschule und für ihre Dokumentation „Gefangene des Meeres“ und den Spielfilm „Donusa“ preisgekrönt, fällt zu ihrem Wohnort Berlin nicht mehr ein.

In ihrer griechisch-deutschen Koproduktion „Verspielte Nächte“ geht es um das problematische Sich-Wiederfinden zweier griechischer Gastarbeitertöchter. Der Vater ist gerade auf einer Ägäisinsel gestorben, angemessen betrauert von der braven Tochter Maria (in Griechenland ein Star: Vicky Volioti), die in der Familientaverne widerwillig Zaziki serviert. An dicke deutsche Laienschauspieler, die schon mal signalisieren, daß es mit der Regisseurin Gespür für unfreiwillige Heiterkeit nicht weit her ist.

Weil sich Schwester Helena (Jasmin Tabatabai), angeblich beim Ballett in Berlin, nicht rührt, reist Maria nach Deutschland, um kopfheister im Laster zu landen. Dort nämlich weilt Schwester Helena, Nächte durchzockend, während ihre Freundin Eva (Sharon Brauner) manisch koksend die Hüllen fallen läßt. Es kommt, wie es Lieschen Müller und Schwester Maria kommen sehen: Wieder mal weiß nur die Liebe einen Weg und läßt aus dem griechischen Erbteil anständig was springen.

Ohne ein Quentchen Ironie inszenierte Antoniou ihren Lore-Roman, reiht bräsig ein Versatzstück ans andere, bis das Unheil vorhersehbar dann doch gebannt ist. Wobei sie ihre putzige Demimonde viel interessanter findet als die Rudimentpsyche ihrer Figuren. Und das ist schon recht lustig.

(Casablanca, Nürnberg)

–wu–

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