„Sanfter Zwang“: Immer mehr Unternehmen zeigen im Internet Flagge

Von Stefan Kruse, dpa

Ein Wunsch ist jedoch allen gemeinsam: In dem neuen Medium Präsenz zu zeigen, um die technologische Entwicklung nicht zu verschlafen - ein „sanfter Zwang“, wie es ein Unternehmenssprecher formuliert.

Nach Expertenschätzungen haben rund zwei Drittel der großen deutschen Firmen (USA: 80 Prozent) inzwischen eine eigene Homepage, wie die Startseiten im Web bezeichnet werden. Von den Mittelständlern zeigen derzeit nur etwa drei Prozent Flagge im Computernetzwerk - Tendenz stark steigend. „Heutzutage wird das zukunftsweisende Image einer Firma auch daran gemessen, ob sie im Web vertreten ist oder nicht“, erläutert Joachim Richard von der Frankfurter Werbeagentur Saatchi & Saatchi.

„Das Eindringen in die 'Neue Welt' war und ist für einen Großteil der Unternehmer ein gewagter Schritt“, berichtet Wolfgang Bscheid von der Münchner Multimedia-Agentur Plan.net. „Viele haben lange abgewartet nach dem Motto: Erst mal kucken, was die Konkurrenz macht.“ Doch nun konstatieren Multimedia- und Werbeagenturen, aber auch Kammern und Verbände ernsthafte Online-Aktivitäten auch bei bisherigen „Internet-Muffeln“: Das Netz sei in den Firmen nicht mehr das Spielzeug einzelner computerverliebter Mitarbeiter, sondern Thema der Geschäftsführung.

„Der Nutzwert bleibt bei den anfänglichen Vorstellungen vieler Unternehmen in Sachen Internet-Präsenz auf der Strecke“, berichtet Frank Biernat, Mitinhaber der Hamburger Multimedia-Agentur Medienwerft. Und zwar der Nutzen für das Unternehmen und für die Besucher der Firmenseiten im Web. „Wer ins Internet geht, muß mehr tun, als eine bunte Homepage mit hübschen Grafiken zu installieren.“

Auch Hubert Bühne von der Industrie- und Handelskammer in Stade, die wie andere Kammern Internetseminare für Mitarbeiter ihrer 30 000 Mitgliedsunternehmen anbietet, sieht da noch Nachholbedarf. „Viele Firmen sind auf dem Sprung, haben aber keine genaue Vorstellung von den Möglichkeiten, die sich ihnen im Internet bieten.“

Diese Möglichkeiten eröffnen sich denjenigen, die das Ziel ihres Internet-Engagements klar definieren und danach ihre Webseiten gestalten, sagen die Experten. Die Neckermann Versand AG etwa will mit ihrem seit September 1995 ausgebauten Internet-Angebot eine möglichst hohe Zahl von „Surfern“ erreichen und neue Kunden gewinnen, erläutert Sprecherin Hannelore Arbeiter. Wieviel Umsatz das Unternehmen im Netz erzielt, will in Frankfurt/Main noch niemand sagen. „Steigende Tendenz“, heißt es lediglich.

Insgesamt entfielen im vergangenen Jahr etwa 3,5 Prozent des Umsatzes von 3,38 Milliarden DM auf Online-Bestellungen - neben dem Internet über die Dienste T-Online und Ameri ca Online (AOL). Die Gewinnschwelle ist freilich noch nicht erreicht.

„Informieren, Kosten senken und neuen Kunden gewinnen“, lautet die Devise bei der Deutsche-Bank-Tochter Bank 24: 13 000 ihrer 125 000 Homebanking-Kunden wickeln Wertpapier- und Geldgeschäfte im Internet ab. Ganz andere Produkte wollen rund 200 Delivery-Firmen mit Hilfe des Braunschweiger Providers „bringdienst.de“ an den Mann bringen: Hungrige können Pizza oder Rindfleisch Shop Suey seit wenigen Wochen in vielen Städten online bestellen oder die Speisekarten auf ihren PC herunterladen.

Und Gertrud Schulze, eine alteingesessene Teehändlerin in Oldenburg, verkauft ihren Assam oder Darjeeling ebenfalls im Internet. Mehr als ein Zehntel ihres Umsatzes stammt aus dem virtuellen Handel.

Weniger an das Massenpublikum und an den Verkauf denkt der Chemieriese Bayer. „Wir wollen transparent sein, eine Schnittstelle für den globalen Dialog“, umschreibt Bayer-Internet-Koordinator Ralf Hermann das Online-Konzept der Leverkusener. „70 Prozent der 1 000 bis 1 500 Netz-Anfragen im Monat kommen von Fachleuten aus unserer Branche.“

Der Sportartikelhersteller Puma im fränkischen Herzogenaurach wendet sich mit seinen peppig gestylten Web-Seiten vor allem an junge Leute zwischen 14 und 25 Jahren. „Unsere Zielgruppe soll das Unternehmen besser kennenlernen“, sagt der zuständige Koordinator Paul Paska.

„Die goldene Regel lautet: Im Netz kann man kaum Geld verdienen, mit dem Netz schon“, sagt Björn Sorge von der Fürther Agentur Prima- Team, die unter anderem Puma multimedial betreut. Soll heißen: Schnelle Gewinne werfen die Internet-Investitionen, die selbst bei kleinen Firmen fünfstellige Beträge kosten, nicht ab.

Eingebunden in ein Marketingkonzept, das auch herkömmliche Werbung und Vertriebswege einschließt, könnten sie jedoch mittelfristig zu mehr Privat- und vor allem Firmenkunden führen und umsatzsteigernd wirken - in vielen Branchen. Daher, erwartet auch der Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft, werde der Anteil der betrieblichen Internet-Ausgaben an den Werbeetats - derzeit etwa ein Prozent - in Zukunft steigen. dpa

zurück

© Nordbayern Infonet