Wie die Schafe auf der Weide
Staus auf der Datenautobahn als sozialwissenschaftliches Phänomen Hoffnung auf den technischen Fortschritt

Von AP-Korrespondentin Elizabeth Weise

San Francisco - Die Staus auf der Datenautobahn, die genauso plötzlich gehen wie sie gekommen sind, gibt es nach Ansicht amerikanischer Forscher nur, weil der Mensch nicht aus alten Fehlern lernt. Weil wir nicht bereit sind, mit anderen zu teilen, sondern immer nur unseren eigenen Vorteil suchen. Das klassische soziologische Problem der „Tragödie des Allgemeinguts“ findet seine Fortsetzung im Internet, wie der Physiker Bernardo Huberman und sein Mitarbeiter Rajan Lukose in einem Beitrag für die Zeitschrift „Science“ erläuterten.

Gibt es in einer Gemeinschaft ein allgemein verfügbares Gut, dann werden die Individuen danach trachten, möglichst viel davon zu bekommen. Wenn sie niemand oder nichts davon abhält, werden die Individuen vielleicht sogar ihre gemeinsame Grundlage zerstören. Das trifft bei grasenden Schafen und offenbar auch bei Internetnutzern zu, wie Huberman sagt. Weil die Onliner nicht erkennen können, wie ihre Benutzung die nur begrenzte Aufnahmefähigkeit des Netzes betrifft, haben sie keinen Anreiz, es weniger zu nutzen und es damit allen leichter zu machen.

Huberman entwickelte am Forschungszentrum von Xerox in Palo Alto in Kalifornien ein Modell, um die Internetnutzung zu berechnen. Ihn faszinierte dabei besonders, daß sich bei einem Stau im Internet wegen eines zu großen Andrangs plötzlich Millionen Online-Surfer praktisch gleichzeitig abschalten, in der Hoffnung, es werde später wieder leichter gehen. Während sich die normalen Datenstaus an den Tagesrhythmen orientieren, treten diese „Netzstürme“ plötzlich und unerwartet auf, was sie zu einem interessanten statistischen Problem macht.

Zwtl: Testbotschaften über die Transatlantikroute

Zur Messung der Datenstaus schickten die Forscher Testbotschaften von der Universität Stanford nach Großbritannien, weil die Transatlantikroute ohnehin eine der verstopftesten des weltweiten Internets ist. Die Lösung des Problems, das entsteht, weil Onliner das Internet als Reich der unbegrenzten Möglichkeiten betrachten, liegt laut Huberman darin, einfach Gebühren im Verhältnis zur Nutzung zu erheben.

Diese Forderung stößt natürlich nicht auf jedermanns Zustimmung. Peter Neumann vom Forschungslabor SRI sagt, damit würden oft die falschen getroffen. Zum Beispiel derjenige, der eine Webseite besucht, die mit Grafik vollgepackt ist, die er gar nicht sehen will, die aber automatisch geladen wird. Viele glauben auch, daß der Ausbau des Netzes, der von vielen Seiten vorangetrieben wird, das Problem des Staus auf der Datenautobahn schon lösen wird, so wie dies auch beim Telefon geschehen ist. Und dies ist nach Ansicht des Internet-Forschers John Quarterman auch der Punkt, wo der Vergleich mit den Schafen auf der Wiese nicht mehr auf das World Wide Web zutrifft. Er kehrt die Theorie bezogen auf das Internet um und sagt, je mehr Schafe auf der Weide sind, desto mehr Gras wächst auch.

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