Kölner Software-Firma erobert Marktnische: Lukrative Fehlersuche
Von Anne-Beatrice Clasmann, dpa

Köln (dpa) – Als Rudolf van Megen und Heinz Bons vor 15 Jahren die erste deutsche Firma für Software-Qualitätssicherung gründeten, rümpften viele Branchenkollegen die Nase. Erstens war man überzeugt, der technische Fortschritt werde das Testen von Computerprogrammen langfristig überflüssig machen. Zweitens galt die Arbeit des Testers als unkreativ und öde. Inzwischen haben die beiden bewiesen, daß sich mit der Fehlbarkeit der Softwareentwickler viel Geld verdienen läßt.

Die Kölner Gesellschaft für Software-Qualitätssicherung mbH (SQS) zählt heute die Telekom, Großbanken und Versicherungskonzerne zu ihren Kunden. Im vergangenen Jahr erreichte sie mit 135 Beschäftigten erneut einen Umsatzsprung um vier Millionen DM auf 25 Mio DM. Allein seit Anfang 1997 wurden 25 Mitarbeiter eingestellt. In Deutschland ist SQS nach eigenen Angaben Marktführer im Bereich Software- Qualitätssicherung. Das mit dem Übergang ins nächste Jahrtausend verbundene „2000-Softwareproblem“ und die Umstellung der Banken auf den Euro sorgen derzeit für eine Auftragsschwemme.

Mit dem nachträglichen Ausbessern fehlerhafter Programme wollen die SQS-Mitarbeiter allerdings nichts zu tun haben. Ihre Arbeit setzt schon ein, wenn der Kunde ein Softwarehaus beauftragt, ein maßgeschneidertes Programm für sein Unternehmen zu schreiben. SQS begleitet den Entstehungsprozeß, hakt immer wieder nach, wenn Fehler auftauchen, die Anforderungen des Kunden an das Programm nicht erfüllt werden. „Wenn da einer versucht, Fehler unter den Teppich zu kehren, weil Zeit und Geld nicht reichen, spielen wir nicht mit“, sagt van Megen.

Bei ihren Tests konfrontieren die Qualitätssicherer die neuen Programme mit Fallbeispielen, bis die Software den notwendigen Qualitätsgrad erreicht hat. Bons kann sich nur an eine einzige Reklamation in 15 Jahren erinnern: SQS sollte ein neues Programm für den Schalterdienst einer Bank testen. Eines ihrer Fallbeispiel war dabei der Kauf einer sehr großen Menge Gold am Schalter. Die Software kam mit dem Fall nicht zurecht. Von der Softwarefirma wurde das Beispiel daraufhin als „absolut unwahrscheinlich und exotisch“ abgetan. Das Programm blieb unverändert. „Als dann schon zwei Wochen nach Beginn der Anwendung in der Bank tatsächlich ein Kunde kam, und soviel Gold orderte, daß das Programm krachte, hatten die zuerst uns als fingierte Goldkäufer im Verdacht“, erinnert sich Bons amüsiert.

Daß es bei individuellen Programmen für große Firmen und Projekte billiger ist, einen Teil der Entwicklungskosten für Tests auszugeben, als grobe Fehler zu riskieren, hat sich inzwischen herumgesprochen. „Das Problembewußtsein ist zunehmend vorhanden“, sagt van Megen. Spektakuläre Softwarefehler wie die letzte große Abrechnungspanne bei der Telekom – „da waren wir zum Glück nicht an der Entwicklung beteiligt“ – und der 1,1 Milliarden DM teure Absturz der Ariane-5 im vergangenen Jahr hätten auch die letzten Skeptiker überzeugt.

Ursache für die Explosion der Ariane-Rakete im Juni 1996 war ein Fehler in der Software des Trägheit-Referenzsystems gewesen. Dieser Teil des Systems war nach Angaben der europäischen Raumfahrtagentur ESA vor dem Start nicht getestet worden.

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