"Net Girls" noch nicht gefragt

Internet-Angebot für Nutzerinnen steckt in den Kinderschuhen
User-Anteil in Deutschland bei neun Prozent

Von AP-Mitarbeiterin Sigrun Rottmann

HIER GEHT ES ZU DEN LINKS FÜR FRAUEN

Zink macht sexy. Das verkündet jedenfalls "Planet Allegra", die Online-Schwester der Zeitschrift "Allegra" und eins der ausdrücklich auf Frauen zugeschnittenen Angebote im Internet. An frauenspezifischen Themen interessierte Nutzerinnen haben es in Deutschland jedoch noch schwer. Denn während auf englischsprachigen Web-Seiten Cyberfeministinnen ihre Theorien in Wort und Bild umsetzen und "Net Chicks" freche E-Zines herausgeben, stecken deutsche Projekte noch in den Kinderschuhen.

Ein Anfang ist jedoch gemacht: Wer die klassischen Frauenzeitschriften lieber weiterhin in der Papierausgabe auf der Couch liest und im World Wide Web nach neuen Inhalten sucht, sollte auf Streifzügen bei der Homepage "Women only Mail and News" (Woman) Halt machen.

Die Redakteurinnen des Vereins für Computervernetzung und Kommunikation haben dort zahlreiche Links auf deutsch- und englischsprachige Seiten von Frauenzentren und -archiven, Kulturprojekten, Organisationen für Wissenschaftlerinnen und anderen Projekte zusammengetragen. Dazu gibt es Konferenzen und Links auf Produkte der alternativen Frauenpresse wie das Magazin "Blau" und die feministische Zeitschrift "AUF". Auch auf "Femnet", das erste überregionale deutschsprachige Mailboxnetz für Frauen, wird hingewiesen.

"Woman" führt exemplarisch zwei Vorzüge des Internet vor: Die schnelle Informationsbeschaffung und eine Vernetzung von Projekten und Menschen, die mit herkömmlichen Kommunikationsmitteln kaum zu bewerkstelligen ist. "Das Internet ist wahrscheinlich die beste Möglichkeit für die Frauenbewegung, in Kontakt und aktiv zu bleiben," lobte denn auch die in den USA produzierte Seite "Feminist.com" das neue Medium. Daß die elektronische Vernetzung in den USA schon sehr viel engmaschiger ist, zeigen die langen Listen der Links auf Übersichtsseiten wie "Women's Web", "Women's Resources on the Internet" und "Women Online Worldwide".

Das größere und vielseitigere US-Angebot für "Net Girls" und "Net Divas" spiegelt allerdings deren Anteil an der Netzgemeinschaft wieder: In den Vereinigten Staaten sind über 31 Prozent der User Frauen, in der Bundesrepublik liegt der Anteil den neuesten Umfragen zufolge lediglich bei neun Prozent.

Über die Gründe für diese Zurückhaltung scheiden sich die Geister. Claudia Gembe, Leiterin der Adacus-Computerschule für Frauen in Wiesbaden und Mitbegründerin von "Femnet", macht die Inhalte des Internet für das mangelnde Interesse verantwortlich. Es handle sich um ein "Männernetz", das zwar Frauen in bestimmten Berufssparten gute Dienste leisten könne. Im Verlauf von Internet-Kursen stellten aber zahlreiche Teilnehmerinnen fest, daß sie das Netz vorerst einfach nicht brauchen, erklärt Gembe. Online-Shopping und Zeitschriften, die man erst herunterladen müsse, lösten da keine Begeisterungsstürme aus.

"Viele Frauen können in der Sache noch keinen Sinn sehen", sagt auch Karin Hallmann von der Frauen-Computerschule in Offenbach. Während viele Männer gerne stundenlang ohne konkretes Ziel am Computer herumprobierten, seien Frauen eher mit Anwendungsmöglichkeiten zu motivieren. Hallmann und Gembe glauben nicht daran, daß Frauen erst eine technische Hemmschwelle überwinden müssen. "Wenn sie ein Ziel vor Augen haben, gehen die meisten Frauen es an und kennen sich dann auch schnell mit der Technik aus", sagt Gembe. Sie sei daher zuversichtlich, daß in den nächsten Jahren immer mehr Frauen das Internet aktiv mitgestalten werden.

Für Fredrika Gers, Autorin der Internet-Romane "Lange Leitung" und "Netzjagd", ist das mangelnde Interesse von Frauen am Net "eine reine Erziehungsfrage". Für Frauen sei es eben immer noch nicht so selbstverständlich wie für Männer, sich mit Computern und ihren Anwendungsmöglichkeiten auseinanderzusetzen. Gers ist der Ansicht, daß das Internet beiden Geschlechtern die gleichen Möglichkeiten bietet und spezielle Angebot für Nutzerinnen nicht unbedingt notwendig sind. In Foren und Chat-Räumen hätten Frauen sogar bessere Karten, weil sie meistens wortgewandter seien als Männer.

Online-Belästigungen "von harmlosen Flirtversuchen bis hin zu Obszönitäten" hat Gers zwar schon erlebt. Sie umgehe das Problem jedoch, indem sie den Befehl "ignore" wähle und die Nachrichten einfach nicht mehr annehme.

Von Männern, die Frauenbereiche "offenbar als Provokation empfinden", kann Peter Schwarz-Mantey ein Lied singen. Der Online-Redakteur vom Contentprovider "Eins und Eins Internet" betreut das Frauenforum bei T-Online und mußte bereits mehrmals unverschämte männliche Gäste aus dem Forum entfernen. Die wiederholten Belästigungen hätten schließlich dazu geführt, daß sich mehrere Frauen aus dem Forum zurückgezogen hätten.

Cyberfeminismus: Netz für eigene Ziele entwickeln

Mehr Plätze für Frauen im Internet zu erobern und das Netz für die eigenen Ziele sowie das eigene Vergnügen zu nutzen und weiterzuentwickeln, ist das Ziel der Cyberfeministinnen, zu denen auch die "Guerilla Girls" aus den USA und das australische Künstlerinnenkollektiv "VNS Matrix" gehören. Auf ihrer Homepage mit der provokativen Überschrift "Dirty Work for Slimey Girls" (Schmutzige Arbeit für schleimige Mädchen) empfiehlt VNS Matrix Ausflüge in virtuelle Freizeitparks wie die "Magik World" und die "Viral Pleasure World" und kündigen die Sabotage des Patriarchats, des "Big Daddy Mainframe" an.

Voller Überraschungen ist auch die australische Online-Zeitschrift "Geekgirl", die in der achten Ausgabe unter der Überschrift "Fruit" einen bunten Fruchtsalat aus Politik, Kultur und Beiträgen über das Internet präsentiert.

Wem nach diesem Ausflug in die politisch-intellektuellen Sphären des Netzes nach etwas Leichterem zumute ist, sollte sich vielleicht die Homepage von "Tank Girl" anschauen oder die "Women's Mountain Bike and Tea Society" besuchen. Und für Nutzerinnen, die nach Belästigungen von Männern im Netz eine Riesenwut im Bauch haben, gibt es mit der (nicht ernstzumehmenden) Homepage "All Man Must Die" (Alle Männer müssen sterben) inzwischen einen perfekten Anlaufpunkt. ap

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